„Sinn der Verordnung total ausgehebelt“

Entlassrezept: Vater muss erst zum Kinderarzt

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Berlin -

In der Kreuz Apotheke in Niedenstein musste Inhaber Matthias von Bredow kürzlich die Belieferung eines Entlassrezeptes für ein Kind verweigern. Ein Vater konnte das dringend benötigte Medikament für sein frisch aus dem Krankenhaus entlassenes Kind nicht sofort mitnehmen. Der Grund: Die strengen Vorgaben der Krankenkasse.

„Gestern kam ein Vater mit einem Entlassrezept für sein Kind aus dem Krankenhaus direkt in meine Apotheke“, berichtet von Bredow. Der neunjährige Patient ist bei der Audi-BKK, einer Primärkasse, versichert. „Auf dem Rezept waren Tabletten gegen Schuppenflechte sowie eine Salbe verordnet. Jeweils in der Packungsgröße N1.“ Die Tabletten sind aber nicht als N1 im Handel, erklärt er.

„Da bei Primärkassen in Hessen dann keine Packung abgegeben werden darf, durften wir auch nicht beliefern“, ärgert sich von Bredow. Die Therapie des Kindes sollte aber weitergeführt werden: „Die Tablettengabe sollte zweimal am Tag erfolgen, der Vater reichte das Entlassrezept etwa gegen 16 Uhr bei uns ein“, so der Apotheker. „Das Kind benötigte für den Abend also dringend seine Medikamente.“

Erst zum Kinderarzt

Von Bredow geriet in Erklärungsnot: „Ich musste dem Vater die Belieferung verweigern und ihm erklären, dass er die Medikamente nicht bekommen darf. Und das obwohl er mit einem Rezept vor mir stand, das macht die Situation natürlich nicht angenehmer“, so der Inhaber. Zudem hebele es den Sinn des Entlassrezeptes absolut aus. Mehr noch: „Im Gegensatz zu den Regeln der Primärkasse, kann bei Ersatzkassenversicherten die kleinste im Handel befindliche Packung abgegeben werden“, so der Inhaber. Es blieb dem Vater schlussendlich nichts anderes übrig: „Er musste erst mal zum Kinderarzt und sich ein neues Rezept ausstellen lassen. Das kann nicht sein“, beklagt von Bredow. Die Praxis ist auch nicht nebenan: „Eine Strecke sind ungefähr 10 Kilometer, also ein zeitlicher Mehraufwand.“

Botendienst am Abend

Sicherheitshalber erkundigte sich der Apotheker daraufhin auch bei dem Hessischen Apothekerverband (HAV). „Dieser hat uns bestätigt, dass wir das Rezept so nicht beliefern durften.“ Während der Vater sich um ein neues Rezept kümmerte, bestellte der Apotheker das Medikament. „Gegen 17 Uhr war das neue Rezept da, zum Glück hatte die Kinderarztpraxis noch geöffnet. Am Abend haben wir dann unseren Boten geschickt, der kleine Patient konnte also noch rechtzeitig seine Tabletten einnehmen“, so von Bredow erleichtert.

Die Aktion war in seinen Augen alles andere als patientenfreundlich. „Der Vater hat gemerkt, dass wir als Apotheke nicht schuld daran sind, dass es bei der Belieferung so hakte. Es ist alles noch glimpflich abgelaufen“, betont der Apotheker. „Aber anhand von solchen Fällen sieht man es wieder ganz eindeutig: Das alles kann ein Versandhandel nicht leisten, dafür braucht es die Apotheke vor Ort.“

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