Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) plant Maßnahmen zur Früherkennung und Versorgung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Apotheke. Er geht davon aus, dass viele Kolleginnen und Kollegen die neue Aufgabe gerne übernehmen, sagte er nach einem Gespräch mit Vertretern von Heilberufen und Kassen in Berlin. Das sei kein Zugeständnis in politisch schwierigen Zeiten.
Mit seinem „Impulspapier“ hatte Lauterbach vor einigen Wochen das Thema gesetzt – offenbar auch diesmal unabgestimmt. Jedenfalls fand heute im Bundesgesundheitsministerium (BMG) ein Gespräch dazu statt. Und es war bezeichnend, wer erschienen beziehungsweise nicht erschienen war: Die Abda hatte Professor Dr. Martin Schulz, Geschäftsführer Pharmazie, geschickt. Seitens der Ärzteschaft war gar kein Standesvertreter dabei, stattdessen stand Dr. Benny Levenson auf der Bühne. Der Kardiologe aus Charlottenburg gehört zum engeren Kreis von Lauterbach und hatte schon bei der Präsentation des E-Rezepts im August an seiner Seite gestanden. Für die Kassen war schließlich Barmer-Chef Professor Dr. Christoph Straub vertreten.
Das Fernbleiben der Ärzteschaft hat vermutlich einen Grund: Auf Lauterbachs Eckpunkte hatten Hausärzteverband und Bundesärztekammer empört reagiert und klargestellt, dass Apotheken keine „Arztpraxen to go“ seien. Diese „Missverständnisse“ habe man ausgeräumt, sagte Lauterbach. Der Hausärzteverband werde nun auch an den Vorschlägen zur Umsetzung mitarbeiten. Generell dürfe es im Gesundheitswesen aber auch nicht länger darum gehen, wer im welchem Bereich das Sagen habe und wer wen an seinen Platz verweisen dürfe.
Lauterbach lobte die Apotheken als „wichtige Ressource“ für seine Pläne. Sie seien niedrigschwellig erreichbar und brächten viel Vorwissen mit. Er verwies auch auf Ergebnisse von Modellprojekten wie Armin. Dass er den Apotheken eine derart wichtige Rolle gebe, sei auch nicht als Zugeständnis in den aktuellen Konflikten zu werten. „Das habe ich schon seit vielen Jahren vorgetragen. Das ist nichts, was wir in irgendeiner Weise in dem bestehenden Konflikt BMG und Apotheken jetzt vorgeschlagen haben, um den Apothekern einen Gefallen zu tun. Schon seit vielen Jahren setze ich mich dafür ein, dass Apotheker hier stärker genutzt werden.“
Er gehe davon aus, dass sich viele Kolleginnen und Kollegen beteiligen: „Ich glaube, dass sehr viele Apotheken bereit sind, da mitzumachen.“ Daher käme ihnen auch eine Schlüsselrolle bei der Aufklärungskampagne zu, die Lauterbach für die Gesundheitschecks gerade für Risikopatienten plant. „Jede Apotheke, die mitmacht, wird Plakate aufhängen und ihre Kundschaft ansprechen, sodass bei vielen Apothekenkundenkontakten auf das neue Angebot hingewiesen wird.“
Dass die Ärzteschaft seiner Einladung ferngeblieben war, spielte er herunter: Wichtig sei ihm in diesem Stadium die Kombination aus Wissenschaftlern und Praktikern, bei der Umsetzung werde dann die Selbstverwaltung dazu kommen. Genauso wie Kanzler Olaf Scholz habe er übrigens eine „Allergie“ gegen Gespräche, bei denen hinterher nicht herauskomme.
Schulz sagte, die Apothekerschaft begrüße die Initiative. Es gehe auch nicht nur um eine Früherkennung, sondern dann auch die langfristige Begleitung. Wichtig sei aber ein fachliches Mit- statt ein Gegeneinander. Im Übrigen gelte bei diesem Projekt dieselbe Kritik wie bei anderen Initiativen und Gesetzesvorhaben: „Das Apothekenwesen als essentieller Teil der ambulanten Versorgung muss insgesamt ganz dringend stabilisiert und gestärkt werden, um neben der Grundversorgung auch neue Ideen aufgreifen und umsetzen zu können. Wenn keine Apotheke mehr vor Ort ist, kann sie auch keine noch so sinnvollen Sonderaufgaben wie bei der Prävention übernehmen.“
Bereits bei der Vorsorgeuntersuchung U9 für Kinder im Alter von fünf Jahren soll künftig per Bluttest nach möglichen familiär bedingten Fettstoffwechselstörungen „gefahndet“ werden, wie Lauterbach sagte. Solche Störungen können zu erhöhten Cholesterinwerten führen, die wiederum für Ablagerungen an Gefäßwänden und Gefäßverengungen verantwortlich gemacht werden – mit erhöhtem Risiko für spätere Schlaganfälle oder Herzinfarkte.
Im Alter von 25, 35 und 50 solle zudem systematisch nach erhöhtem Blutdruck, erhöhten Cholesterinwerten und nach unerkanntem Diabetes gefahndet werden, fügte Lauterbach hinzu. Die genannten Altersgruppen sollen gezielt von den Krankenkassen angeschrieben werden, dass die Möglichkeit besteht. Es handele sich aber um freiwillige Untersuchungen.
„Die gesamte Maßnahme wird natürlich die Kosten im deutschen Gesundheitssystem senken“, sagte Lauterbach und verwies auf hohe Kosten, die ohne Früherkennung und Vorsorge entstehen, etwa wenn später Herz- und Bypass-Operationen nötig werden.
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