Im Zyto-Skandal um Apotheker Peter Stadtmann wird vielleicht ein neues Kapitel aufgeschlagen: Die Staatsanwaltschaft Essen hat Anklage gegen zwei PTA der Alten Apotheke in Bottrop erhoben. Ihnen wird vorgeworfen, Zytostatika mutwillig unterdosiert zu haben.
Die Anklage resultiert aus der Razzia, die die Polizei im November 2016 in der Alten Apotheke durchführte. Dabei hatten die Ermittler 117 Rezepturen sichergestellt und später analysiert. Wie die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) meldet, waren auf zwei der unterdosierten Rezepturen die Kürzel der Namen der nun anklagten PTA als Hersteller vermerkt. Analysen haben daraufhin ergeben, dass diese Infusionslösungen deutlich unterdosiert waren. Beide schweigen bislang zu den Vorwürfen. Den 34 und 60 Jahre alten Frauen wird bandenmäßiger Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz vorgeworfen, der 34-Jährigen in zwei, der 60-Jährigen in 18 Fällen. Das Landgericht hat noch nicht entschieden, ob die Klage zugelassen wird.
Stadtmann sitzt unterdessen seit drei Jahren in U-Haft. Sein Verteidiger hat deshalb Haftbeschwerde eingelegt, die er mit einer „rechtsstaatswidrigen Verfahrenszögerung“ begründet. Es dürfe nicht sein, dass sein Mandant ohne eine abschließende Bewertung durch die Justiz so lange in U-Haft sitzt.
Stadtmann wurde zu zwölf Jahren Haft und Berufsverbot verurteilt, das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig, weil der Bundesgerichtshof noch nicht über die Revisionen von Verteidigung und Nebenklage entschieden hat. Laut WAZ waren die umfangreichen Unterlagen zu dem Fall erst im September – 14 Monate nach dem Urteil – in Karlsruhe angekommen. Die lange Verzögerung kam laut Staatsanwaltschaft Hamm durch das komplexe Verfahren zustande: Die 1600 Seiten lange Urteilsbegründung müsse eingehend geprüft werden. Laut WAZ habe es außerdem Probleme aufgrund formaler Fehler gegeben, sodass die Staatsanwaltschaft Hamm Unterlagen an die Essener Staatsanwaltschaft zurückgeschickt habe.
Neben der weiteren juristischen Verfolgung von möglichen Mittätern könnte Stadtmann weiterhin auch ein Mordprozess drohen. Anfang des Jahres war ein von der Nebenklage beauftragtes Gutachten der Strafrechtsprofessorin Dr. Frauke Rostalski zu dem Ergebnis gekommen, dass das Gericht ihn wegen versuchten Mordes hätte verurteilen müssen.
Außerdem stehen noch zivilrechtliche Ansprüche gegen den ehemaligen Apothekeninhaber aus: Gläubiger fordern insgesamt 92 Millionen Euro von Stadtmann – werden aber wohl auf den Großteil des Geldes verzichten müssen. Den Forderungen von mehreren Dutzend Privatpersonen und 50 Krankenkassen stehen nämlich nur Vermögenswerte von zwei Millionen Euro. Dem Düsseldorfer Insolvenzverwalter zufolge belaufen sich die gesamten Vermögenswerte auf rund 20 Millionen Euro, von denen aber rund 18 Millionen mit Sicherungsrechten belastet sind, die beispielsweise vom Landgericht Essen verhängt worden.
Stadtmann war im Juli 2018 verurteilt worden. Über mindestens fünf Jahre hinweg soll er als Inhaber der Alten Apotheke in Bottrop Sterilrezepturen für schwer kranke Patienten gestreckt haben, um sich, wie es in der Urteilsbegründung heißt, „selbst ein Luxusleben zu finanzieren und sich in seiner Heimatstadt als Gönner und Wohltäter aufzuspielen“. Verurteilt wurde er zu zwölf Jahren Haft wegen Betrugs in 59 Fällen und vorsätzlichen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz (AMG) in rund 14.500 Fällen. Außerdem erhielt er ein lebenslanges Berufsverbot. In der Anklage war noch von 62.000 Fällen die Rede. Außerdem ging das Gericht von einem Schaden von 17 Millionen Euro aus. Der Fall liegt beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe, der über die Revisionsanträge entscheiden muss.
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