Palliativversorgung

Zuweisungsverbot gilt auch, wenn Patienten zustimmen

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Berlin -

Zytostatika herstellende Apotheken sind vom Zuweisungsverbot ausgenommen – für die Versorgung in der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) gilt diese Ausnahme aber nicht. Diese Auffassung wurde durch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz bekräftigt. Dem voraus ging ein Rechtsstreit zwischen der sächsischen Landesdirektion und der Medicus-Apotheke in Chemnitz, einer Filiale der Carola-Apotheke von Inhaberin Carola Börner. Die hatte unter anderem argumentiert, das Zuweisungsverbot greife nicht, weil die Patienten selbst eine Einwilligungserklärung unterschrieben haben.

Der Streit war entbrannt, nachdem mehrere Apotheken von einer Vereinbarung zwischen der Apotheke und dem Palliativprojekt Chemnitz/ MVZ Spezielle Schmerztherapie und Palliativmedizin Wind bekommen hatten. Apotheke und MVZ hatten sich mit einer mündlichen Absprache darauf geeinigt, dass die Medicus-Apotheke eine 24-Stunden Rufbereitschaft und die Notfallmedikation sowie die notwendigen Anpassungen der Medikamentierung der Patienten nebst deren Anlieferung bereitstellt.

Darüber hinaus hatte die Apotheke aber auch eine Kooperationsvereinbarung mit dem MVZ geschlossen, wonach dessen Patienten ihre Arzneimittel ausschließlich von der Medicus-Apotheke beziehen sollen. Daraufhin hatten die Konkurrenten bei der Landesdirektion Sachsen Beschwerde eingelegt mit der Begründung, es läge eine unerlaubte Zuweisung von Verordnungen im Sinne von § 11 Abs. 1 Apothekengesetz (ApoG) vor. Im Paragraphen heißt es: „Erlaubnisinhaber und Personal von Apotheken dürfen mit Ärzten oder anderen Personen, die sich mit der Behandlung von Krankheiten befassen, keine Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen treffen, die eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel, die Zuführung von Patienten, die Zuweisung von Verschreibungen oder die Fertigung von Arzneimitteln ohne volle Angabe der Zusammensetzung zum Gegenstand haben.“

Genau das sahen die Wettbewerber hier gegeben: Denn aufgrund der Vereinbarung zwischen Apotheke und MVZ kämen die Verschreibungen der Ärzte ausschließlich der Medicus-Apotheke zu. Rezepte könnten nicht beigebracht werden, weil die Heimbewohner über das Palliativprojekt durch die Medicus-Apotheke beliefert würden und die Rezepte dort verblieben. Die Landesdirektion sah darin eine unerlaubte Zuweisung und untersagte der Apotheke die Abmachung per Bescheid – doch die wollte das nicht akzeptieren und klagte. Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig, wendete sie ein. Die Landesdirektion habe gar keine eigenen Feststellungen zu den behaupteten Verstößen getroffen, sondern sich nur auf Hörensagen und Anzeigen von Konkurrenten verlassen.

Im Verfahren hatte die Apotheke dann zwei Einwilligungserklärungen vorgelegt, die Patienten zur Unterschrift vorgelegt wurden. In ihnen heißt es wörtlich: „Medikamentenversorgung: Damit Sie die benötigten Medikamente schnell und zuverlässig und möglichst am gleichen Tag erhalten, hat der SAPV-Leistungserbringer Vereinbarungen mit einer Apotheke geschlossen. Für die Versorgung mit Medikamenten beauftrage ich hiermit ausschließlich die Apotheke mit der mein SAPV-Leistungserbringer eine Vereinbarung geschlossen hat und verzichte auf mein Wahlrecht für die Inanspruchnahme einer anderen Apotheke.“ Das Argument: Es handele sich um individuelle Vereinbarungen mit den jeweiligen Patienten durch die Medicus-Apotheke als Kooperationspartner des Palliativprojektes und damit um keine Zuweisung der Patienten durch das MVZ. Eine Heimversorgung werde nicht vorgenommen und daher auch nicht unterlaufen.

Darüber hinaus berief sie sich auf die Ausnahmeregelung für Zyto-Apotheken in § 11 Abs. 2 ApoG. Die finde hier Anwendung, da ihre Apotheke eine der wenigen im Freistaat Sachsen sei, die Zytostatika und Parenteralia herstelle. Zusätzlich sei sie Spezialversorgungsapotheke für Palliativversorgung und Onkologie. Ein von der Landesdirektion konstruierter Automatismus zwischen Palliativversorgung durch das MVZ und einer Medikamentenbelieferung allein durch die Apotheke der Klägerin bestehe nicht.

Stattdessen sei das Palliativ-MVZ sogar zur Kooperation mit der Apotheke verpflichtet gewesen: Denn bevor ein Palliativ-Leistungserbringer einen Versorgungsvertrag mit den Krankenkassen abschließen kann, muss er eine Sicherstellungsabrede mit einer Apotheke abschließen, die im Notfall alle Arzneimittel, einschließlich Betäubungsmittel in Krisensituationen verfügbar habe. Es reiche nicht, wenn im Einzelfall erst eine Apotheke gesucht werden müsse, die entsprechende Medikamente vorrätig habe oder Rezepturen zubereiten könne. Im Übrigen verweigerten Apotheken im Einzelfall auch die Zubereitung von Rezepturen für Schmerzpumpen, obwohl sie gesetzlich dazu verpflichtet seien, so die Argumentation der Medicus-Apotheke.

Das Verwaltungsgericht Chemnitz konnte das allerdings nicht überzeugen. Die Einwilligungserklärungen würde gerade keine schriftliche Zustimmungserklärung der Patienten darstellen, denn die hätten ja gar keine Möglichkeit, eine selbst ausgesuchte Apotheke in das Formular einzusetzen. Es gehe entgegen der Darstellung der Apothekerin gerade nicht nur um eine Notfallversorgung und das Befüllen von Schmerzpumpen mit parenteralen Zubereitungen, sondern, wie sich aus der Einwilligungserklärung der beiden Patienten ergebe, um eine Vollversorgung, die allein von der Medicus-Apotheke gewährleistet werden solle. Auch die Ausnahme aus Absatz 2 greife nicht: Denn bei dem Zytostatika herstellenden Betrieb handele es sich um die Hauptapotheke, die Carola-Apotheke, nicht die Filiale.

Das Verwaltungsgericht betonte dabei explizit, dass – abgesehen von der integrierten Versorgung, die hier aber ohnehin nicht vorlag – alle anderen nach dem Sozialversicherungsrecht zulässigen Kooperationsvereinbarungen den allgemeinen Grundsätze des § 11 ApoG unterliegen. Und damit gilt § 12 des ApoG im Sinne von § 134 BGB: „Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.“

Auch der Bundesgerichtshof soll sich demnächst mit dem Thema Zuweisung befassen. Dabei geht es um einen Vertrag, den die Versicherung Central mit der Versandapotheke Aposan (Eigelstein Apotheke in Köln) geschlossen hatte. Patienten mit einer Makuladegeneration, bei denen vom behandelnden Augenarzt die Indikation zur intravitrialen Injektionstherapie (IVOM) mit einem Angiogenesehemmer gestellt worden war, wurden von der Versicherung angeschrieben und auf die Kooperation mit der Apotheke hingewiesen. Die Wettbewerbszentrale sah in dieser Zusammenarbeit einen Verstoß gegen das Abspracheverbot gemäß § 11 Abs. 1 ApoG. Das Landgericht Köln wies die Klage mit der Begründung ab, Arzneimittel mit zellwachstumsverzögernder Wirkung seien generell vom Zuweisungsverbot ausgenommen. Im Berufungsverfahren wies auch das Oberlandesgericht Köln (OLG) die Wettbewerbszentrale ab – allerdings mit einer anderen Begründung: Eine unzulässige Absprache liege nicht vor. Denn die Krankenversicherung sei keine „andere Person, die sich mit der Behandlung von Krankheiten“ befasst. Revision zum BGH hat das OLG Köln nicht zugelassen, dagegen wendet sich die Wettbewerbszentrale mit einer Zulassungsbeschwerde. Wenn diese vom BGH positiv beschieden wird, wird der Fall in Karlsruhe verhandelt, ansonsten wird das OLG-Urteil rechtskräftig.

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