Ein ehemaliger Pharmareferent forderte seit dem Start eines Verfahrens 2021 eine Million Euro Schadenersatz von Hersteller Hexal. Der Kläger gibt dem Generikaunternehmen die Schuld an seiner Krebserkrankung. Hintergrund war der Skandal um verunreinigtes Valsartan, der 2018 bekannt wurde. Doch der Kläger hatte am Landgericht München II keine Chance und unterlag auch in der Berufung.
Der Kläger verlangte Schmerzensgeld und Auskunft von Hexal aufgrund des Inverkehrbringens von Valsartan in Deutschland. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) informierte im Juli 2018 über den Rückruf valsartanhaltiger Arzneimittel, deren Wirkstoff vom chinesischen Hersteller Zhejiang Huahai Pharmaceuticals produziert worden war. Grund war eine Verunreinigung des Wirkstoffs mit N-Nitrosodimethylamin (NDMA).
Schon im ersten Anlauf scheiterte der heute 76-jährige Kläger: Er habe nicht hinreichend substantiiert zu den Tatbestandvoraussetzungen des § 84 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) vorgetragen. Der Paragraph regelt den Schadenersatz für Patienten, die durch ein Arzneimittel geschädigt wurden. Er habe auch nicht darstellen können, warum die Anwendung des Arzneimittels Valsartan Hexal 160 mg Filmtabletten sein Analkarzinom ausgelöst haben soll.
Auch für die Anwendung der Vermutung des § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG habe der Kläger nicht hinreichend Belege liefern können. Hier heißt es: „Ist das angewendete Arzneimittel nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet, den Schaden zu verursachen, so wird vermutet, dass der Schaden durch dieses Arzneimittel verursacht ist.“
Zwar wurde dem Kläger während des Verfahrens 2021 noch Zeit eingeräumt, entsprechende Beweise nachzuliefern, doch auch das half nicht: Die Berufung des Klägers gegen das Urteil von Anfang 2022 wurde zurückgewiesen, heißt es nun vom Oberlandesgericht München (OLG). Zudem habe der Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Eine Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Bereits 2016 war dem Kläger aus Ahlen ein Analkanal-Karzinom diagnostiziert worden. Als zwei Jahre später die Verunreinigungen zahlreicher Valsartan-Generika mit NDMA bekannt wurden, war der Fall für ihn klar. Hexal sei bereits seit 2012 über die Verunreinigungen informiert gewesen, habe die betroffenen Produkte aber erst viel später vom Markt genommen. Er selbst nehme seit 2007 Blutdrucksenker und sei 2011 auf das Präparat von Hexal zu 160 mg umgestellt worden, weil seine Krankenkasse einen Rabattvertrag mit dem Unternehmen habe. Den Krebs habe er mittlerweile unter größten Leiden besiegt, doch die psychischen Folgen inklusive der Angst vor einem Rückfall würden bleiben, sagte er 2021 aus.
Hexal wies die Vorwürfe zurück. Schon durch sein Alter habe er ein erhöhtes Krebsrisiko gehabt, außerdem sei er 40 Jahre lang exzessiver Raucher – bis zu zwei Schachteln am Tag – gewesen. Auch auf eine BfArM-Studie verwies der Hersteller. Demnach konnte bei mehr als 25 Millionen Menschen, die zwischen 2012 und 2017 mindestens ein Rezept für Valsartan eingelöst haben, in Summe kein erhöhtes Risiko für Krebserkrankungen festgestellt werden – weder für eine dreijährige Langzeitanwendung, noch in Abhängigkeit der Dosierung.
Der Kläger konnte in dem Verfahren jedoch insbesondere zur Anwendung zunächst keine ausreichenden Angaben machen, speziell zu Verordnung, Erwerb und Einnahme des Valsartans. Außerdem sei nicht hinreichend klar gewesen, in welchem Zeitraum er welche Chargennummern erhielt.
Nach dem Bekanntwerden der Verunreinigungen gab es in den Apotheken immense Verunsicherungen, Hersteller wie Hexal müssen sich seitdem in einer Vielzahl von Verfahren verantworten.
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