Rechtsanwälte unterliegen ähnlich wie Apotheker und Ärzte einer regulierten Berufsordnung. Danach dürfen Rechtsanwaltskanzleien nur inhabergeführt sein. Jetzt macht sich die Bundesregierung auf den Weg, externen Investoren die Tür zu öffnen. Im Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums zur Reform der Berufsordnung (BRAO) ist vorgesehen, dass sich Risikokapital zur Entwicklung von „Legal Tech“ an Anwaltskanzleien beteiligen können soll. Der Deutsche Anwaltsverein (DAV) lehnt das Vorhaben ab und fürchtet Fremdbestimmung.
„Es wird auch geprüft, ob reine Kapitalbeteiligungen mit dem Ziel erlaubt werden können, alternative Finanzierungswege durch Wagniskapital für solche Rechtsanwältinnen und -anwälte zu eröffnen, die zum Beispiel im Bereich von Legal Tech hohe Anfangsinvestitionen erbringen müssen, um neue Rechtsdienstleistungsangebote erbringen zu können“ heißt es unter Punkt sieben des Eckpunktepapiers. Nicht nur die Rechtsanwälte sind alarmiert. Auf seiner nächsten Sitzung will der Bundesverband der Freien Berufe (BFB), deren Vizepräsident ABDA-Präsident Friedemann Schmidt ist, über diesen geplanten Eingriff ins Berufsrecht diskutieren. Die Änderung könnte später als Blaupause für andere Freie Berufe wie die Apotheker interpretiert werden.
„Das Bundesjustizministerium hat Eckpunkte für eine große BRAO-Reform vorgelegt und folgt dem DAV-Vorschlag. Neu ist: Das Fremdbesitzverbot für Legal Tech in der Anwaltschaft wird geprüft“, informiert der DAV seine Mitglieder. Das Ministerium habe Ende August 2019 die lange angekündigten Eckpunkte für die große BRAO-Reform an die Verbände versandt. Das Papier liege auf der Linie des DAV-Vorschlags zur großen BRAO-Reform. „Überraschend ist allein ein Prüfauftrag, um das Fremdbesitzverbot in der BRAO bei Legal Tech zu kippen. Investitionen in Anwaltskanzleien durch Eigenkapital von Berufsfremden könnte ermöglicht werden, damit Kanzleien bei Legal Tech mithalten“, kritisiert der DAV.
Mit der Reform will das Bundesjustizministerium die interprofessionelle Sozietät, also die Zusammenarbeit von Anwältinnen und Anwälten mit anderen Berufen erleichtern. Alle „vereinbaren“ Berufe werden erlaubt, also Berufe, die Anwältinnen und Anwälte auch im Zweitberuf ausüben dürfen. Damit blieben nur Immobilienmakler und Versicherungsmakler außen vor, nicht aber Unternehmensberater. Die Verschwiegenheit wird in § 203 StGB abgesichert. Auch mit Apothekern und Ärzten können Anwälte seit einem Verfassungsgerichtsurteil von Januar 2016 gemeinsame Gesellschaften gründen. Allerdings dürfen darin nur beratend tätig sein und keinen Heilberuf ausüben.
Das Gebot der aktiven Mitarbeit aller Beteiligten in der Gesellschaft soll aufrechterhalten werden. Reine Kapitalbeteiligungen soll es nicht geben. „Neu ist, dass für den Bereich Legal Tech eine Freigabe des Fremdbesitzverbots in der BRAO geprüft werden soll. Anwaltskanzleien könnten so in die Lage versetzt werden, mit Legal-Tech-Anbietern außerhalb der Anwaltschaft zu konkurrieren. Der DAV sieht die Öffnung für Eigenkapital von Dritten kritisch. Ein Bedarf für Risikokapital in Anwaltskanzleien sieht der DAV nicht“, heißt es in der Mitteilung. Anwälte könnten bereits heute mit Dritten Gesellschaften zur Entwicklung von Legal Tech gründen, argumentiert der Berufsverband. Kanzleien könnte dann die Lizenzen an der Software erwerben. Es bestehe daher keine Notwendigkeit, Fremdkapital in die Kanzleien zu holen.
Die Eckpunkte sehen darüber hinaus ein rechtsformneutrales Berufsrecht vor. Die Anwaltschaft soll grundsätzlich für alle Rechtsformen in Deutschland und der EU offen sein. Ob die GmbH & Co. KG für Anwälte komme, ist aber laut DAV offen. Das Ministerium will hier der Expertenkommission zur Reform des Personengesellschaftsrechts nicht vorgreifen. Für die Regulierung gilt: Es soll ein elektronisches Verzeichnis geben und eine Zulassung für Berufsausübungsgesellschaften (mit einem Anzeigeverfahren für unproblematische Fälle). Alle Berufsausübungsgesellschaften sollen postulationsfähig werden, das heißt Rechtsstreitigkeiten führen können. Das gilt bisher nur für die Anwalts-GmbH und die Partnerschaftsgesellschaft von Anwälten im PartGG.
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