Kai-Peter Siemsen, Präsident der Apothekerkammer Hamburg, kritisiert im Spiegel mit Blick auf die mutmaßlich gefälschten Bioäquivalenzstudien aus Indien den Preisdruck der Krankenkassen und die Rabattverträge. „Für uns ist das eine schlimme Sache, denn die Menschen vertrauen darauf, dass in einer deutschen Apotheke nur geprüfte Qualität verkauft wird“, so Siemsen. „So sollte es ja auch sein.“
Siemsen ist stolz auf die hohen Qualitätsstandards hierzulande und überzeugt: „'Hergestellt in Bangladesch' und 'Getestet in Indien' ließe sich in Deutschland sicher nicht so gut verkaufen.“ Und weiter: „Wobei die Kassen mit ihrem Preisdruck ja nicht ganz unschuldig sind.“ Qualitätskontrolle lasse sich eben nicht so leicht in Billiglohnländer übertragen.
„Wir nehmen die Präparate, die auf der Liste stehen, aus dem Lager und geben sie in Quarantäne“, erklärt der Apotheker in der Rubrik „Der Augenzeuge“. Siemsen, der in Hamburg die Neue Eilbeker Apotheke leitet, berichtet, dass jeden Tag bis zu zehn verunsicherte Kunden kämen. Sie hätten gehört oder gelesen, dass viele Arzneimittel nicht mehr verkauft werden dürften.
Viele Patienten wollten einfach nur wissen, ob ihr Präparat auch betroffen sei, anderen müsse man erklären, dass sie auf ein Ersatzprodukt ausweichen sollten. „Ich muss viel reden, denn manchen fällt es schwer, sich auf eine ungewohnte Packung oder Pillenform umzustellen“, so Siemsen.
Hinzu kämen die Rabattverträge, sodass nur bestimmte Präparate abgegeben werden dürften. „Das kontrollieren die Kassen auch knallhart.“ Mittlerweile hätten sich der Deutsche Apothekerverband und die Krankenkassen aber darauf geeinigt, dass in diesen Fällen Alternativprodukte ausgehändigt werden dürften.
Siemsen geht allerdings davon aus, dass selbst die Produkte, die auf der Liste stehen und die die Patienten noch zu Hause haben, in pharmazeutisch-medizinischer Hinsicht in Ordnung sind, da es sich meist um Generika handele. „Der Wirkstoff ist also seit Jahren erprobt und bewährt.“ Aus formalen Gründen müsse aber jedes Generikum erneut geprüft werden. „Womöglich hat sich das betroffene Unternehmen in Indien einfach nur die teuren Studien erspart.“
Das BfArM hatte Anfang Dezember 80 Präparate wegen der mangelhaften Studien des indischen Dienstleisters GVK Biosciences für nicht verkehrsfähig erklärt. Die Hersteller konnten daraufhin andere Studien vorlegen oder Widerspruch einlegen, der aufschiebende Wirkung hat.
27 Bescheide wurden bereits zurückgenommen. Gegen 38 der übrigen 53 Bescheide haben die Hersteller Widerspruch eingelegt. Da dieser aufschiebende Wirkung hat, dürfen die Arzneimittel zunächst abgegeben werden. Betapharm hat als einziger Hersteller Produkte zurückgerufen: Betroffen waren alle Chargen Levetiracetam in den Wirkstärken 250, 500, 750 und 1000 mg sowie alle Chargen Losartan 100 mg. Der Hersteller hatte die Präparate vom Markt genommen, obwohl sie wegen des Widerspruchs eigentlich verkehrsfähig waren.
Derzeit sind noch 20 Präparate in verschiedenen Wirkstärken nicht verkehrsfähig: Neben den zurückgerufenen Betapharm-Präparaten Escitalopram von Micro-Labs sowie vier Präparate, die derzeit nicht im Artikelstamm gelistet sind – Irbesartan von Unichem, Irbesartan und Irbesartan/HCT von Welding sowie Venlafaxin von Basics.
Apotheker müssen den jeweils aktuellen Stand der Liste beachten, um kein Medikament abzugeben, das in diesem Moment nicht zugelassen ist. Das BfArM hat angekündigt, die Liste auch zwischen Weihnachten und Januar werktäglich gegen 14 Uhr zu aktualisieren. Am Montag wies die Liste erstmals keine Veränderung zur vorherigen Version auf.
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