Interview Kordula Schulz-Asche

„Bayer hat alles falsch gemacht“

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Berlin -

Kordula Schulz-Asche (Bündnis 90/Die Grünen) hat sich wie keine andere Bundestagsabgeordnete in den Iberogast-Fall eingeschaltet. Dabei ist die Sprecherin für Pflege- und Altenpolitik ihrer Fraktion eher zufällig auf das Thema gestoßen – bei einem Besuch in der Schweiz. Im Interview mit APOTHEKE ADHOC erklärt Schulz-Asche, warum sie als Grüne ausgerechnet ein Phyto-Präparat angreift und wie sie dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu mehr Mut verhelfen will.

ADHOC: Sie haben Bayer im Iberogast-Fall mehrfach öffentlich attackiert. Warum so scharf?
SCHULZ-ASCHE: Weil ich es unverantwortlich finde, dass sich Bayer so gegen das Stufenplanverfahren gewehrt hat. Das war immerhin eine Auflage des BfArM. Wir reden hier nicht von einem Rückruf oder davon, dass das Präparat vom Markt genommen werden muss. Und das abgestufte Verfahren im Jahr 2008 zeigt doch gerade, dass ein Unterschied gemacht wurde, nämlich nach der Menge des enthaltenen Schöllkrauts. Und in so einer Situation die Patienteninformation zu erweitern mit einem Hinweis, das ist doch wirklich kein großes Ding. Trotzdem ist zehn Jahre lang nichts passiert.

ADHOC: Hätte das BfArM früher hart durchgreifen müssen?
SCHULZ-ASCHE: Das ist schon ein Kernproblem: Solche langen Verfahren stellen die Glaubwürdigkeit von Bundesämtern ab einem bestimmten Punkt infrage: Wenn die nicht in der Lage sind, Anordnungen, die sie erlassen, auch umzusetzen. Deswegen bin ich mit dem BfArM bislang nicht so zufrieden gewesen, gerade weil ich inhaltlich großes Vertrauen in die Arbeit unserer Bundesbehörden habe.

ADHOC: Also hätten Sie sich einfach ein bisschen mehr Mumm gewünscht?
SCHULZ-ASCHE: Das BfArM hat natürlich Angst, dass in einem Gerichtsverfahren die Beweislage nicht ausreicht. Das ist immer das Hauptproblem, warum sie nicht weiter vorgehen. Und bei dem Todesfall jetzt wird es schwer sein, einen direkten Zusammenhang der Wirkung des Schöllkrauts herzustellen – wenn jemand eine Lebertransplantation bekommt und dann stirbt.

ADHOC: Bayer hat laut Ihrer Aussage erst auf den Todesfall gewartet, bis die Anpassung vorgenommen wurde. Braucht es bei dem Thema manchmal Populismus?
SCHULZ-ASCHE: Ich weiß nicht, ob die Patientin an Iberogast gestorben ist. Ich kenne nur die Mitteilung des BfArM und in der steht, dass es im Juli 2018 diesen Todesfall gab und dass in der Folge Sofortvollzug angeordnet werden sollte. Für mich ist der Zusammenhang zu dem Todesfall eindeutig. Und das BfArM sagt das auch so. Dieser Fall ist bekannt geworden nach unserem Gesetzentwurf, unseren vielen kleinen Anfragen und den vielen Gesprächen, die ich mit Bayer-Verantwortlichen geführt habe. Das ist meine Kritik an Bayer: Die hätten spätestens seit Anfang des Jahres sagen können: Ok, wir machen es wie die Schweizer.

ADHOC: Was hat Ihnen Bayer dazu gesagt?
SCHULZ-ASCHE: Sie sind – oder waren – der Meinung, dass die Einschätzung des BfArM falsch ist. Dabei haben die eine Zulassung für Iberogast ohne Schöllkraut, aber laut Bayer ist es mit Schöllkraut wirksamer. Das kann ich nicht beurteilen, ich bin keine Pharmazeutin. Aber es ändert auch nichts daran, dass das BfArM Schöllkraut als problematisch einschätzt. Nach dieser Debatte wird Bayer Schöllkraut eventuell ganz rausnehmen müssen, auch wenn es vielleicht harmlos ist und das nur, weil sie nicht informiert haben. Jetzt kommt der Warnhinweis, aber das PR-Desaster, das sie angerichtet haben, bleibt. Kennen Sie dieses Youtube-Video?

ADHOC: Sie meinen die Stellungnahme von Frau Diefenbach?
SCHULZ-ASCHE: Ja, das ist doch verrückt. Wenn Bayer mich weiter angreift, dann stelle ich das nochmal ein, zusammen mit der Pressemitteilung vom BfArM – und zwar unkommentiert und ohne populistische Zusammenhänge. Dann kann jeder beurteilen, ob das ein Desaster ist oder nicht. Ich finde, Bayer hat alles falsch gemacht.

ADHOC: Was wäre Ihr Vorschlag für eine Verbesserung?
SCHULZ-ASCHE: Wir machen es wie die Schweizer: Wenn ein Verdacht besteht, müssen zumindest die Patienten informiert werden über die Produktinformation. Will das BfArM heute seine Beschlüsse gerichtlich durchsetzen, ist nach Angaben der Bundesregierung die Argumentationshürde zu hoch. Deswegen wollen wir die Gesetzesänderung für einen regelhaften sofortigen Vollzug der Auflagen im Arzneimittelgesetz.

ADHOC: Kritiker meinen, dass das BfArM dann noch zögerlicher wird.
SCHULZ-ASCHE: Deshalb wollen wir die Beweislast umkehren. Unternehmer können trotzdem noch weiterhin gegen den sofortigen Vollzug klagen, die Begründungspflicht liegt dann aber bei ihnen. Im Falle von Iberogast hätte Bayer also nachweisen müssen, warum trotz der Befunde keine Gesundheitsgefährdung zu befürchten ist. Ein Gericht entscheidet dann im Falle einer solchen Klage, ob er sofortige Vollzug unangebracht ist. Eine Haftung des BfArM wird damit ausgeschlossen, da der Hersteller zeitnah eine gerichtliche Entscheidung über den sofortigen Vollzug herbeiführen kann.

ADHOC: Und bekommen Sie jetzt eine Mehrheit dafür?
SCHULZ-ASCHE: Keine Ahnung, im Moment ist Haushaltsberatung, da haben alle eher Geldscheine und Geldsäcke im Kopf und es ist schwierig, überhaupt etwas anderes anzubringen. Aber das Thema bleibt uns ja, denn Iberogast ist nur ein Einzelfall, es gibt eine Reihe Verfahren zu anderen Präparaten, die sich so lange hinziehen. Aus Patientensicht ist das eine Katastrophe. Alle „Fragezeichen“ zu einem Arzneimittel müssen auch in der Packungsbeilage enthalten sein. Denn die ist auch ein wichtiger Hinweis für die Apotheker, die Iberogast ja bislang sehr gerne abgegeben haben. Obwohl, die richtigen Fans melden sich in den sozialen Medien derzeit nicht mehr so viel bei mir.

ADHOC: Sie werden wohl kein Bayer-Fan mehr?
SCHULZ-ASCHE: Ich gucke mir immer gerne Firmen an, wie die produzieren und gerade Naturheilkunde liegt mir als Grüne natürlich nahe. Deswegen war ich zweimal bei Steigerwald und habe mir die ganze Pflanzenproduktion angesehen. Das ist ein hochmotiviertes, innovatives Team, das sicher noch viele Dinge entwickeln kann. Dass diese Arbeit mit dieser „Begleitmusik“ kaputt machen, tut mir richtig weh. Ich finde, dass die PR-Abteilung von Bayer keine besonders glückliche Figur macht.

ADHOC: Trotzdem überrascht es, dass Sie sich ausgerechnet auf ein „grünes“ Arzneimittel eingeschossen zu haben scheinen.
SCHULZ-ASCHE: Ich habe eine Grundeinstellung: Für mich stehen immer der Patient und seine Sicherheit im Mittelpunkt: Ob es meine Freunde von der Homöopathie sind oder von den Impfgegnern. Information- und Beteiligungsrechte sind meine Leitlinie und da ist es mir egal, ob es wie jetzt hier bei Iberogast um ein Mittel aus Kräutern geht oder Biologicals. Hier geht es darum, dass es einen Gefährdungsverdacht gibt und da haben Patienten das Recht, darüber informiert zu werden.

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