Rote-Hand-Brief zu Zinbryta (Daclizumab, Biogen): Die Empfehlung der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), die EU-Zulassung von Zinbryta sofort ruhen zu lassen und das Arzneimittel zurückzurufen, ist bereits bekannt. Nun informiert Biogen in einem Rote-Hand-Brief über die risikominimierenden Maßnahmen.
Insgesamt acht Meldungen einer immunvermittelten Enzephalitis/Enzephalopathie wurden im Zusammenhang mit Zinbryta dokumentiert – betroffen sind sieben Patienten in Deutschland und einer in Spanien. Es folgte ein Risikobewertungsverfahren seitens der EMA. Als Konsequenz werden das sofortige Ruhen der Zulassung und ein Chargenrückruf empfohlen.
Außerdem sollen keine neuen Patienten auf Zinbryta eingestellt werden. Anbehandelte Patienten sollen auf ein anderes Arzneimittel umgestellt werden. Wird die Behandlung mit dem Arzneimittel beendet, müssen die Betroffenen darauf hingewiesen werden, dass Nebenwirkungen auch bis zu sechs Monate nach dem Absetzen möglich sind. Daher sollten die Patienten mindestens monatlich oder gegebenenfalls öfter für bis zu sechs Monate nach der letzten Anwendung überwacht werden.
Patienten sollen sich umgehend mit dem Arzt in Verbindung setzen, wenn beispielsweise anhaltendes Fieber, schwere Kopfschmerzen, Müdigkeit, Gelbsucht, Übelkeit oder Erbrechen auftreten oder andere immunvermittelte Funktionsstörungen, wie Veränderungen im Blutbild, Thyreoiditis oder Glomerulonephritis dokumentiert werden.
Erst im November wurde die Anwendung von Zinbryta eingeschränkt. Es sollten nur MS-Patienten mit dem Arzneimittel behandelt werden, die auf mindestens zwei krankheitsmodifizierende Therapien (DMT) nur unzureichend ansprachen und für die keine andere DMT in Frage kommt. Patienten mit einer Vorerkrankung der Leber dürfen seitdem nicht mit Zinbryta behandelt werden. Bestehen weitere Autoimmunerkrankungen oder übersteigen die Leberenzymwerte den Normalwert um mehr als das Doppelte, war eine Neubehandlung ausgeschlossen.
Daclizumab ist ein humanisierter monoklonaler IgG1-Antikörper, der an T-Zellen bindet, die Teil des Immunsystems sind und durch Interleukin-2 (IL-2) aktiviert werden. Durch Bindung von Daclizumab an die T-Zellen kann IL-2 nicht mehr angreifen – eine Schädigung der Nervenzellen bleibt aus. Seit August 2016 war Zinbryta zur Behandlung von Erwachsenen mit schubförmiger Multipler Sklerose (RMS) zugelassen.
Bei MS zerstören Immunzellen die isolierende Hüllschicht der Nervenfasern (Myelinscheide), sodass die Weiterleitung von Signalen gestört ist. Bei Gesunden hält das Abwehrsystem solche Immunzellen in Schach, unter anderem durch die spezielle Gruppe der Suppressorzellen, auch regulatorische T-Zellen genannt. Diese fehlen bei MS-Patienten, sodass die überschießende Abwehr des Immunsystems nur unzureichend gebremst wird.
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