Aus für Zinbryta: Patienten mit Multipler Sklerose (MS) können künftig nicht mehr mit Zynbrita (Daclizumab, Biogen) behandelt werden. Das Unternehmen verzichtet eigenverantwortlich auf die Zulassung. Außerdem werden alle laufenden Studien gestoppt.
Insgesamt acht Meldungen einer immunvermittelten Enzephalitis/Enzephalopathie wurden im Zusammenhang mit Zinbryta dokumentiert – betroffen sind sieben Patienten in Deutschland und einer in Spanien. Aufgrund dieser Vorfälle verzichtet Biogen auf die Zulassung und wird einen Chargenrückruf initiieren.
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) empfehlen den Ärzten, keine neuen MS-Patienten mit Zinbryta zu behandeln und die bereits auf das Arzneimittel eingestellten Patienten auf andere Therapieoptionen umzustellen. Zudem sollten Betroffene, die Zinbryta absetzen, aufgrund der langen Halbwertszeit nachbeobachtet werden.
Bereits im vergangenen Jahr wurde Daclizumab neu bewertet. Auslöser waren vier Fälle schwerwiegender Leberschäden und der Tod einer Patientin. Vier Injektionen Zinbryta hatte eine deutsche MS-Patientin erhalten; sie starb später an den Folgen eines akuten Leberversagens. Leberenzyme und Bilirubinwerte wurden jedoch vorschriftsmäßig während der Behandlung überprüft. Das Risiko für Leberschäden unter Zinbryta war bereits zum Zeitpunkt der Zulassung bekannt. Klinische Studien liefern Daten mit schweren Leberschäden bei 1,7 Prozent der Patienten. Die Experten des Ausschusses für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz kamen zu der Empfehlung, den Einsatz von Zinbryta zu beschränken.
Die Experten empfahlen, nur noch MS-Patienten mit dem Arzneimittel zu behandeln, die auf mindestens zwei krankheitsmodifizierende Therapien (DMT) nur unzureichend ansprachen und für die keine andere DMT in Frage kommt. Patienten mit einer Vorerkrankung der Leber durften nicht mit mehr Zinbryta behandelt werden. Bestehen weitere Autoimmunerkrankungen oder übersteigen die Leberenzymwerte den Normalwert um mehr als das Doppelte, war eine Neubehandlung ebenfalls ausgeschlossen. Während der Therapie sollten die Leberfunktionswerte mindestens einmal pro Monat – am besten unmittelbar vor der Medikamentengabe – überprüft werden. Die Kontrolluntersuchungen sollen mindestens sechs Monate über das Therapieende hinaus fortgeführt werden.
Daclizumab ist ein humanisierter monoklonaler IgG1-Antikörper, der an T-Zellen bindet, die Teil des Immunsystems sind und durch Interleukin-2 (IL-2) aktiviert werden. Durch Bindung von Daclizumab an die T-Zellen kann IL-2 nicht mehr angreifen – eine Schädigung der Nervenzellen bleibt aus. Seit August 2016 war Zinbryta zur Behandlung von Erwachsenen mit schubförmiger Multipler Sklerose (RMS) zugelassen.
Bei MS zerstören Immunzellen die isolierende Hüllschicht der Nervenfasern (Myelinscheide), sodass die Weiterleitung von Signalen gestört ist. Bei Gesunden hält das Abwehrsystem solche Immunzellen in Schach, unter anderem durch die spezielle Gruppe der Suppressorzellen, auch regulatorische T-Zellen genannt. Diese fehlen bei MS-Patienten, sodass die überschießende Abwehr des Immunsystems nur unzureichend gebremst wird.
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