Die Akte Valsartan ist noch nicht geschlossen. Die Untersuchungen zu den mit N-Nitrosodimethylamin (NDMA) verunreinigten Arzneimitteln laufen noch. Gestern vermeldete die US-Arzneimittelagentur FDA eine weitere Hiobsbotschaft: Es sei ein weiterer Lohnhersteller betroffen. Hierzulande gibt die Behörde Entwarnung.
Vor mehr als einem Monat gab der chinesische Lohnhersteller Zhejiang Huahai Pharmaceutical bekannt, NDMA im Wirkstoff Valsartan gefunden zu haben. Weltweit wurden reihenweise Arzneimittel zurückgerufen, denn zahlreiche Hersteller hatten die Substanz bei dem Lieferanten eingekauft. Doch das chinesische Unternehmen ist nur einer von vielen Herstellern – weltweit gibt es rund 40 Lieferanten für Valsartan.
In China und Japan sind jeweils ein halbes Dutzend Anbieter für Valsartan zu finden, Fabriken gibt es auch in Mexiko und Italien. Die meisten Lohnhersteller der aktiven Substanz (API) gibt es jedoch in Indien, hier liefern knapp 20 Firmen den Wirkstoff. Die FDA hat die Rückrufrufliste in den USA um Arzneimittel von Camber Pharmaceuticals aktualisiert, deren API vom indischen Hersteller Hetero Labs produziert wurde. „Hetero Labs stellt die API für die Camber-Präparate unter Verwendung eines ähnlichen Verfahrens wie Zhejiang Huahai Pharmaceuticals her“, teilt die FDA mit. Dennoch seien nicht alle Valsartan-haltigen Arzneimittel vom Rückruf betroffen.
In den USA ruft Camber Pharmaceuticals folgende Präparate in allen Chargen mit einem Verfallsdatum zwischen Juli 2018 und Juni 2020 zurück: Valsartan 40 mg zu 30 Tabletten sowie die Stärken 80, 160 und 320 mg zu je 90 Tabletten.
Testergebnisse von Hetero Labs – das auch Losartan und Irbesartan produziert – würden zeigen, dass die in der aktiven Substanz nachgewiesene Menge NDMA einen „akzeptablen Wert“ übersteigt. Jedoch sei die Verunreinigung in geringerem Maße enthalten, als in der von Zhejiang Huahai Pharmaceutical hergestellten Substanz. Das BfArM gibt für Deutschland Entwarnung, denn Hetero Labs Limited ist für keines der hierzulande zugelassenen Valsartan-haltigen Arzneimittel Wirkstoffhersteller. „Es sind daher diesbezüglich in Deutschland keine Maßnahmen vorgesehen oder Rückrufe zu erwarten.“
Die Unternehmen haben eigene Synthesewege entwickelt und schützen lassen, sodass aufgrund der verwendeten Reagenzien zum Bekanntwerden des Skandals ausgeschlossen wurde, dass sich die Verbindung NDMA auch bei anderen Herstellern bilden kann. Die FDA hat sich nach eigenen Angaben auch an die anderen Hersteller gewandt um zu ermitteln, ob ihre Herstellungsprozesse auch ein Risiko für die Entstehung von NDMA bergen.
Als wahrscheinlichste Ursache gilt eine Modifikation bei der Herstellung des Tetrazol-Rings. Hier soll vom chinesischem Unternehmen N,N-Dimethylformamid (DMF) als Lösungsmittel eingesetzt worden sein, das dann über Dimethylamin und in Gegenwart mit Salpetriger Säure zu NDMA weiterreagiert hat. Einen Rückruf gab es auch bei Irbesartan, der Wirkstoff besitzt ebenfalls eine Tetrazolgruppe. Betroffen war lediglich Irbesartan Hormosan in einzelnen Stärken und Chargen.
NDMA wird als potenziell krebserregend eingestuft. Studien an Nagetieren liefern entsprechende Hinweise. Laut FDA wurden jedoch die Studien mit einer größeren NDMA-Konzentrationen durchgeführt, als der Gehalt in den verunreinigten Arzneimitteln. Eine Zufuhr von 96 Nanogramm pro Tag wird von der Behörde für den menschlichen Organismus als sicher angesehen. Schließlich sei NMDA in einigen Lebensmittel enthalten. Schätzungsweise wird der Verzehr von NDMA im Laufe des Lebens zu weniger als einer Krebserkrankung pro 100.000 Menschen führen. Als Vergleich: Jeder Dritte US-Amerikaner erkrankt im Laufe seines Lebens an Krebs.
Der als annehmbar eingestufte Wert werde jedoch von den zurückgerufenen Arzneimitteln überschritten. Die Behörde teilt mit, dass aufgrund von Aufzeichnungen der pharmazeutischen Unternehmen, die Verunreinigung bereits seit bis zu vier Jahren in den Arzneimitteln enthalten sei. Bekannt ist jedoch, dass Zhejiang Huahai Pharmaceutical den Herstellungsprozess bereits 2012 umgestellt hat und bei der EDQM ein CEP-Zertifikat beantragt hat.
Experten der FDA schätzen ausgehend von 8000 Patienten, die über einen Zeitraum von vier Jahren täglich mit 320 mg Valsartan N-Nitrosodimethylamin (NDMA) behandelt wurden, dass ein Patient zusätzlich an Krebs erkrankt. Mit dieser Einschätzung bestätigt die FDA den eingeleiteten Rückruf.
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