NMDA-Belastung

Stada: Valsartan-Verunreinigung verschleppt

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Berlin -

Der Valsartan-Skandal stellt die Pharmaindustrie vor komplett neue Herausforderungen. Denn die Art und Weise, wie bislang produziert wird, ist nicht auf die Risiken ausgelegt, die von verunreinigten Wirkstoffen ausgehen. Der Generikakonzern Stada musste gestern Ware zurückrufen, die eigentlich sauber war. Trotz GMP-konformer Herstellung fanden sich geringe Mengen N-Nitrosodimethylamin (NMDA) in den Tabletten.

„Kann Spuren von Nüssen enthalten.“ Mit solchen Sätzen sichern sich Hersteller bei Lebensmitteln ab, die in derselben Fabrik hergestellt wurden wie andere, für Allergiker potenziell Produkte. Auch in der Pharmaindustrie werden Produktionsstrecken und Tablettenpressen für unterschiedliche Präparate verwendet. Gelegentlich kommt es daher trotz GMP-konformer Herstellung zu Kreuzkontaminationen und damit verbunden zu Rückrufen.

Dass allerdings auch Verunreinigungen auf der Produktionsstrecke verschleppt werden, ist ein neues Phänomen. Die Stada hatte als einer der Hersteller Anfang Juli verschiedene Chargen Valsartan zurückgerufen, bei denen Wirkstoff des chinesischen Lieferanten Zhejiang Huahai Pharmaceutical verarbeitet worden war. Gestern folgte nun ein weiterer Rückruf – was war passiert?

Im Hemofarm-Werk in Serbien waren zwischen Mai 2016 und Anfang 2018 – also vor Bekanntwerden der Verunreinigung – Valsartan-Tabletten hergestellt worden, bei denen der Wirkstoff (Active Pharmaceutical Ingredient, API) von Zhejiang Huahai verarbeitet wurde. Nach einer Trockenreinigung der Maschinen wurde auf den Wirkstoff eines anderen Lieferanten umgestellt. Dieses Vorgehen ist GMP-konform.

Dennoch gelangten auf diese Weise Spuren des Wirkstoffes von Zhejang Huahai in die Produkte, die mit dem – nicht verunreinigten – Wirkstoff des anderen Herstellers produziert wurden. Damit gelangten auch minimale Mengen an NDMA in die Tabletten – die Rede ist von einem Durchschnittswert von kleiner 0,1 ppm. Die Verunreinigung ist nicht nur deutlich geringer als die der bereits zurückgerufenen Chargen – das ZL hatte in verschiedenen Präparaten zwischen 3,7 und 22 µg NDMA pro Tablette gefunden, sondern liegt nahe der Grenze dessen, was das Verfahren zur NDMA-Bestimmung überhaupt technisch messen kann.

Dass der Fall überhaupt entdeckt wurde, hängt mit dem erweiterten Kontrollkonzept zusammen, das die Stada nach dem Bekanntwerden des Skandals eingeführt hatte und das unter anderem eine Analyse auf NDMA in Valsartan-Endprodukten vorsieht.

Auch auf die neuen Erkenntnisse hat der Konzern bereits reagiert und in Absprache mit den Behörden Maßnahmen eingeleitet, um das Risiko einer Verschleppung künftig zu vermeiden. „Demnach werden wir einen API-Wechsel künftig wie einen Produktwechsel behandeln und auch im Rahmen einer Kampagnenfertigung eine sehr intensive Reinigung der Maschinen vornehmen.“

Vorsorglich wurden einzelne Chargen zurückgerufen. Laut Stada ist die Patientenversorgung nicht beeinträchtigt. „Mittelfristig steht ausreichend Valsartan zur Verfügung. Die neu in den Markt gebrachten Chargen unterliegen unserem erweiterten Kontrollkonzept und damit verbundener ständiger Überprüfungen. Sie sind qualitativ einwandfrei und erfüllen unsere höchsten Sicherheits- und Qualitätsstandards.“

Grund für die große Rückrufwelle von Valsartan im Juli war eine Verunreinigung mit dem potenziell krebserregenden Stoff NDMA, die beim Lohnhersteller Zhejiang Huahai Pharmaceutical aufgrund einer neuartigen Synthesemethode aufgetreten sein soll. Mehr als ein Dutzend Hersteller mussten ihre Valsartan-haltigen Arzneimittel zurückrufen, sowohl Monopräparate, als auch die Kombination mit Hydrochlorothiazid. Zum Teil mussten nur einzelne Stärken und Chargen vom Markt verschwinden. Betroffen vom Rückruf waren die Tabletten von Ratiopharm/AbZ/CT, Hexal/1A Pharma, Stada/Aliud, AAA Pharma Hennig, Puren/Actavis, Basics comp. (außer Monopräparate), Zentiva, Heumann und Dexcel. Novartis, TAD, Macleods und Mylan dura hatten gemeldet, dass ihre Ware nicht betroffen sei.

Ob und inwiefern die Einnahme von verunreinigten Tabletten mit langfristigen Folgen einhergeht, ist bis heute unklar. Die europäischen und US-Gesundheitsbehörden bewerteten zwar einige Wochen später das toxikologische Risiko: Die EMA schätzte einen zusätzlichen Krebsfall auf 5000 Patienten. Damit sei das Krebsrisiko aufgrund der Belastung mit NDMA gering. Bei der FDA lag diese Quote bei 1:8000. Trotzdem bleiben die Folgen für Patienten im Dunklen, konkrete Aussagen zum Gesundheitsrisiko der Betroffenen können nicht gemacht werden.

Die EMA forscht weiter: Im August hat die Behörde im Rahmen ihres Kontrollprozesses festgestellt, dass auch Produkte mit NDMA verunreinigt sind, bei denen Zhejiang Tianyu als weiterer chinesischer Lohnhersteller den Wirkstoff produziert hatte. Im September wurde dann bekannt, dass zusätzlich zu NDMA die verwandte Substanz N-Nitrosodiethylamin (NDEA) im Wirkstoff des Lohnherstellers Zhejiang Huahai Pharmaceuticals enthalten war – und das bereits vor der Umstellung des Herstellungsprozesses im Jahr 2012. Die EU-Behörden führen nun Inspektionen der Produktionsstätten beider Unternehmen in China durch. Beide Hersteller sind nicht mehr berechtigt, Valsartan für die EU herzustellen und zu vertreiben.

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