Rote-Hand-Brief

Spinraza kann zu abnormer Schädelvergrößerung führen

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Berlin -

Hersteller Biogen warnt in Absprache mit der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in einem Rote-Hand-Brief vor dem Risiko eines kommunizierenden Hydrozephalus bei der Behandlung mit Spinraza (Nusinersen). Das Präparat kam im vergangenen Sommer auf den deutschen Markt und wird zur Therapie der spinalen Muskelatrophie (SMA) angewendet.

Spinraza ist eine Injektionslösung in der Stärke 2,4 mg/ ml. Die Injektion erfolgt als Lumbalpunktion in die Flüssigkeit, die das Rückenmark umgibt. Die Therapie erfolgt nach einem Behandlungsregime. Der Abstand zwischen den Behandlungen beträgt zunächst 14 Tage, dann 30 und 60 Tage. Anschließend wird Spinraza alle vier Monate verabreicht.

Bei einer erwachsenen Frau und vier Kindern wurden bei der Behandlung mit Nusinersen über das Auftreten eines kommunizierenden Hydrozephalus (Hydrocephalus communicans) berichtet, der nicht mit einer Meningitis oder einer Blutung in Zusammenhang stehen würde. Biogen gibt an, dass einigen betroffenen Patienten zur Behandlung ein ventrikulo-peritonealer Shunt (VPS) implantiert wurde. Risiken und Nutzen einer Behandlung mit Nusinersen bei Patienten mit einem VPS seien nicht bekannt.

Bei Symptomen wie anhaltendes Erbrechen oder Kopfschmerzen, unerklärliche Bewusstseinsstörungen, bei Kindern eine Zunahme des Kopfumfangs sollen Patienten beziehungsweise ihre Betreuer einen Arzt konsultieren. Die Ärzte sollen bei Hinweisen auf eine Schädelvergrößerung die Patienten weiter untersuchen. Bei Patienten mit eingeschränktem Bewusstsein sollte ein erhöhter Liquordruck und eine Infektion ausgeschlossen werden.

Die Fach- und Gebrauchsinformation von Spinraza werden durch Aufnahme diesbezüglicher neuer Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen aktualisiert. Der Hersteller fordert die Angehörige von Gesundheitsberufen auf, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung bei Biogen oder beim BfArM anzuzeigen.

Patienten mit SMA fehlt aufgrund eines Chromosomendefekts das „Survival Motor Neuron“ (SMN)-Protein, das für das Überleben und die normale Funktion von Motoneuronen entscheidend ist. Spinraza ist ein Antisense-Oligonukleotid (ASO), das die Produktion von SMN-Protein in voller Länge normalisieren soll. Der Wirkstoff ändert das Spleißen der SMN2-RNA, die für die Bildung des Proteins benötigt wird. ASO sind kurze synthetische Stränge von Nukleotiden, die selektiv an die Ziel-RNA binden und die Genexpression regulieren. In der Folge wird die Bildung SMN-Protein in voller Länge gesteigert.

Vor der Zulassung im Juni 2017 stand keine medikamentöse Therapie der SMA zur Verfügung. Die Patienten wurden nur mit unterstützenden Behandlungen zur Rehabilitation wie Physio- und Ergotherapietherapie versorgt. Das Arzneimittel war zuvor bereits in den USA zugelassen und konnte in Deutschland im Rahmen des Compassionate Use gegen die oft tödliche Erkrankung eingesetzt werden. 2016 hatte das BfArM das Inverkehrbringen im Rahmen eines Härtefallprogrammes gestattet, da Studien große Behandlungserfolge zeigen konnten.

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