Nach NDMA-Verunreinigungen

Ranitidin in der Tumortherapie – DGHO rät jetzt ab

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Berlin -

Ranitidin kommt nicht nur bei Sodbrennen zum Einsatz, sondern auch im Off-Label-Use als Prämedikation in der Tumortherapie. Bei mehreren Krebsmedikamenten wird der Wirkstoff sogar explizit als mögliche Comedikation in der Fachinformation aufgeführt. Die Evidenz ist laut der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinischer Onkologie (DGHO) aber unzureichend und entspricht dem Level of Evidence Grad 4. Die DGHO empfiehlt im Zuge der aktuell vorkommenden Verunreinigungen mit N-Nitrosodimethylamin (NDMA), den Einsatz des H2-Antihistaminikums in der Onkologie zu hinterfragen.

Ranitidin ist ein Wirkstoff, der die Magensäuresekretion hemmt. Zugelassen wurde der Wirkstoff in Europa Anfang der 80er-Jahre unter den Namen Zantic und Sostril. Das H2-Antihistaminikum wird oral, intramuskulär oder intravenös appliziert. In der Onkologie wird Ranitidin außerhalb der Zulassung zur Prophylaxe und Therapie von Hypersensitivitätsreaktionen eingesetzt. Diese können als Sofortreaktion innerhalb einer Stunde in Form von Anaphylaxie auftreten. Auch Spätreaktionen sind möglich: Hepatitis, Zytopenie und Exantheme können die Folge sein, die sich durch Ranitidin möglicherweise reduzieren lassen.

Aufgrund der dünnen Evidenzlage empfiehlt die DGHO, auf Ranitidin als Prämedikation in der medikamentösen Tumortherapie zu verzichten. Onkologen sollten ihre Therapieschemata erneut durchsehen und beim Fehlen belastbarer Evidenz für die jeweilige Indikation auf die Prämedikation verzichten. Ist der Einsatz von Ranitidin explizit in der Fachinformation erwähnt, so kann laut DGHO unter Umständen ein Austausch durch Famotidin stattfinden. Nachteilig ist, dass dieser Histamin-H2-Rezeptor-Antagonist nicht als intravenöse Injektionen zur Verfügung steht.

Famoditin ist ein H2-Rezeptor-Antagonist mit einer anderen chemischen Struktur als Ranitidin. Nach oraler Gabe werden maximale Plasmaspiegel nach 1 bis 3,5 Stunden erreicht. Die Wirkung hält für 10 bis 12 Stunden an. 20 mg Famotidin entsprechen in ihrer Effektivität 150 mg Ranitidin. Es sind keine klinisch relevanten Arzneimittelinteraktionen bekannt. Eine Beeinträchtigung der Bioverfügbarkeit anderer oral eingenommener Arzneimittel durch die Anhebung des Magen-pH-Wertes muss berücksichtigt werden. Bei Einsatz in der Prämedikation ist eine orale Gabe 90 Minuten vor dem onkologischen Wirkstoff sinnvoll.

Die Gabe von Ranitidin vor der Chemotherapie wird in den Fachinformationen von Cabazitaxel, Elotuzumab und Paclitaxel erwähnt. Cabazitaxel ist seit 2011 zur Therapie des kastrationsresistenten Prostatakarzinoms zugelassen. In der Zulassungsstudie wurde Ranitidin nach Immunreaktion als Begleitmedikation eingesetzt. Elotuzumab ist ein humanisierter, monoklonaler Antikörper (MAK) und seit 2016 zur Therapie des rezidivierten, refraktären Multiplen Myeloms zugelassen.

Bei Paclitaxel gehören allergische Reaktionen zu den kritischen Nebenwirkungen. In frühen Studien traten Hypersensitivitätsreaktionen bei bis zu 15 Prozent der Patienten auf. Daraufhin wurden Therapieregime zur Prophylaxe unter Kombination von Glukokortikoiden und H1- und H2-Blockern entwickelt. Sie waren effektiv und wurden in die Fachinformation aufgenommen. Randomisierte Studien zum Einsatz von Ranitidin in dieser Indikation liegen nicht vor.

Bei MAK oder Anti-T-Lymphozytenglobulinen wird in den Fachinformationen ebenfalls eine Prämedikation mit Antihistaminika empfohlen, allerdings nicht explizit mit Ranitidin. In der S2k-Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) „Anaphylaxie, Akuttherapie und Management“ von 2013 findet sich folgende Formulierung: „Wir empfehlen die zusätzliche Anwendung von H2-Rezeptorantagonisten bei schweren und therapieresistenten Anaphylaxien, weil sie zwar nur eine geringe Evidenz für eine Wirkung, aber auch keine wesentlichen Nebenwirkungen aufweisen.“

Mitte September wurden allerdings europaweit Ranitidin-haltige Arzneimittel aufgrund von Verunreinigungen mit NDMA zurückgerufen. Ein Verfahren zur Überprüfung der Arzneimittel wurde auf Antrag der EU-Kommission durch die EMA eingeleitet. In einem Analyseverfahren wurden bei Präparaten der US-Versandapotheke Valisure bis zu 3 mg NDMA pro 150 mg-Tablette nachgewiesen. Die Ergebnisse sind laut DGHO nicht überraschend, denn der Nachweis von NDMA sei keine Kontamination durch eine Fremdsubstanz im Rahmen des Herstellungsprozesses, sondern entstehe durch eine inhärente Instabilität des Moleküls. NDMA wird aufgrund von Tierversuchen als wahrscheinliches menschliches Karzinogen eingestuft. Daten über ein gehäuftes Auftreten von Krebserkrankungen unter Ranitidin liegen nicht vor.

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