Randnotiz

Pech mit Paracetamol-Embargo

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Berlin -

„Forderung nach Rezeptpflicht: So gefährlich ist Paracetamol“: Mit dieser Schlagzeile sorgte Spiegel online für Verunsicherung bei Millionen Verbrauchern in ganz Deutschland. Ärzte und Apotheker konnten ihren Patienten keine Antworten auf die vielen Fragen geben – denn die Studie, auf die sich das Portal bezog, war noch gar nicht veröffentlicht. In Hamburg hatte man, angeblich aus Versehen, die Sperrfrist übersehen.

Professor Dr. Dr. Kay Brune ist als Kritiker des Wirkstoffs bekannt; schon mehrfach setzte er sich als Mitglied des Sachverständigenausschusses für eine generelle Verschreibungspflicht von Paracetamol ein. Der Pharmakologe stand lange an der Spitze einer Stiftung, die von der ehemaligen Eigentümerin von Klosterfrau gegründet und finanziert wurde. Einen der Stiftungslehrstühle besetzte er gleich mit.

Die aktuelle Übersichtsarbeit fertigte er gemeinsam mit Dr. Bertold Renner von der Universität Erlangen sowie Professor Dr. Gisa Tiegs vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Der Beitrag soll im „European Journal of Pain“ veröffentlicht werden; an der Spitze des Fachmagazins steht mit Professor Dr. Dr. Hermann Handwerker ein langjähriger Weggefährte von Brune.

Grundlegend neue Erkenntnisse bringt die Arbeit nicht: Einem ausführlichen historischen Abriss über den Wirkstoff und vergleichbare Substanzen folgen Schilderungen über Mechanismus und Bedeutung der leberschädigenden Effekte. Danach werden zwei skandinavische Studien zum Einsatz in der Schwangerschaft sowie experimentelle Untersuchungen zur Multitoxizität des Abbauprodukts N-Acetyl-p-benzochinonimin (NAPQI) diskutiert.

Mit dem Anstieg an Alzheimer-Erkrankungen wollen die Forscher den Wirkstoff zwar dann doch nicht in Verbindung bringen. Dennoch dürfte Paracetamol wegen der vielfältigen Probleme unter heutigen Maßstäben gar nicht zugelassen werden, schließen die Forscher. Es gebe modernere und wirksamere Alternativen.

Womöglich hätte der Aufsatz keine allzu große Beachtung gefunden, wenn er es nicht an der Fachöffentlichkeit vorbei direkt zu Spiegel online geschafft hätte. Dass man ihm ein solches Vorgehen übel nehmen würde, wusste auch Brune und bat den Autor darum, auf grünes Licht zu warten.

Doch dann rutschte der Artikel durch – aufgrund „mehrerer interner Umstände“, wie sich die Ressortleiterin später bei Brune entschuldigte. „Das ist ein großes Versehen, das wir leider nicht mehr rückgängig machen können“, hieß es aus Hamburg. Man bedauere den Fehler außerordentlich: „Normalerweise achten wir bei Spiegel online immer streng auf die Einhaltung von Embargos.“

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