Verunreinigungen

NDMA in Ranitidin: „Ein Marketing-Gag, weiter nichts“

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Berlin -

NDMA in Ranitidin – kein Grund zur Panik, findet Professor Dr. Fritz Sörgel vom Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung (IBMP). Auf seiner Facebook-Seite kommt er zu dem Ergebnis: Am Ende ist alles nur ein Marketing-Gag.

Vor Kurzem hatte die US-Versandapotheke Valisure die Verunreinigung N-Nitrosodimethylamin (NDMA) im Säureblocker Ranitidin entdeckt. In einer Tablette zu 150 mg wurden 3 mg NDMA nachgewiesen. Dass Valisure Arzneimittel auf Reinheit prüft, hält Sörgel „zunächst mal für ein lobenswertes Unterfangen“. Jedoch kritisiert der Pharmakologe die Analyseverfahren.

Valisure hat mit zwei verschiedenen Methoden NDMA in Ranitidin-haltigen Arzneimitteln nachgewiesen: zum einen bei hoher Temperatur (130 Grad), zum anderen bei Körpertemperatur. Das Verfahren bei hoher Temperatur liefert 3 mg NDMA pro Tablette. „Eine gigantische Menge“, schreibt Sörgel. Der Sinn des Experiments entzieht sich jedoch Sörgels Vorstellungskraft. Zum Vergleich: Bei den Sartanen wurden knapp 30 mg NDMA als Höchstmenge nachgewiesen.

Auch das zweite Verfahren, ein In-vitro-Experiment, in dem Valisure versucht, die Vorgänge im Magen bei Anwesenheit von Nitrit nachzuahmen, kritisiert der Experte. „Die Menge verwendetes Nitrit ist unphysiologisch – to say the least. So groß kann ein Magen gar nicht sein. Was bitte sollten die beiden Experimente eigentlich ???“

Sörgel weiter: „Die Wahrscheinlichkeit, dass Ranitidin unter physiologischen Bedingungen NDMA bilden kann, hatten wir schon letztes Jahr diskutiert, da interessierte es nur niemanden.“ Am Ende sei das, was Valisure versucht habe, aus seiner Sicht „ein Marketing-Gag, weiter nichts“, schreibt Sörgel.

Der verunreinigte Wirkstoff kommt aus Indien. Präparate, die Ranitidin von Saraca Laboratories enthalten, werden von den Behörden und Firmen zurückgerufen. Betroffen sind derzeit Arzneimittel von Ratiopharm, AbZ, 1A Pharma, Hexal und Mylan. Wie die Verunreinigung in den Wirkstoff kommt, gilt es noch zu klären. Sörgel liefert zwei Theorien: Zum einen könne das Lösungsmittel eine mögliche Quelle sein. Beispielsweise wenn es sich um ein nicht sauberes recyceltes Lösungsmittel handele. Aus finanziellen und ökologischen Gründen würden Lösungsmittel recycelt, aber irgendwann ist laut Sörgel Schluss, denn dann bekomme man die Substanzen nicht mehr sauber.

Eine zweite Möglichkeit ist der Wirkstoff selbst, der in Lage sein kann, NDMA zu bilden. Ranitidin sei eine instabile Substanz, die sich bei Lagerung oder im menschlichen Körper umbilden könne. Das Problem: Bestätigt sich, dass Ranitidin selbst die potentiell krebserregende Substanz bildet, ist die Gefahr aufgrund der gebildeten Menge NDMA groß, dass bei einer längerfristigen Einnahme eine Krebsgefahr besteht.

Sörgel kann den Patienten dennoch nur empfehlen, ruhig zu bleiben. „Ich gehe davon aus, dass es nicht so viele Menschen gibt, die jahrelang mit Ranitidin behandelt wurden. Und falls das doch der Fall sein sollte, dann wäre es medizinisch äußerst fragwürdig. Es besteht kein Grund zur Panik“, wird Sörgel in der Schwäbischen Zeitung zitiert. „Aber Wissenschaft und alle, die mit Medikamenten befasst sind, haben jetzt die Pflicht, sich um die Reinheit von Wirkstoffen zu kümmern.“

Ranitidin blockiert den H2-Rezeptor, so werden die histaminabhängige Produktion der Salzsäure und die Freisetzung von Pepsin im Magen gehemmt. Der Wirkstoff kann als Magenschutz, gegen Sodbrennen, Reflux und Ösophagitis eingesetzt werden. Im Handel sind OTC-Präparate zu 75 mg oder verschreibungspflichtige Varianten zu 150 und 300 mg. In den 80er-Jahren war Ranitin Mittel der Wahl bei Magengeschwüren, heute haben Omeprazol und Pantoprazol den Wirkstoff abgelöst.

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