Die Früherkennung von Progressiver Multifokaler Leukenzephalopathie (PML) unter Therapie mit Tysabri (Natalizumab, Biogen) soll besser werden. Dazu hat der Ausschuss für Risikobewertung (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) Empfehlungen vorgelegt. Neue Daten hatten bestätigt, dass Antikörper gegen das John-Cunningham-Virus (JC-Virus) bei den Patienten das PML-Risiko erhöhen. Die Titer sollen zukünftig engmaschiger überwacht werden.
Die Empfehlungen basieren auf einer aktuellen Risikoüberprüfung des MS-Medikamentes. Besonders betroffen von der schweren Nebenwirkung seien Patienten, die Tysabri ohne Vorbehandlung mit Immunsuppressiva erhielten, so der PRAC. Insbesondere nach einer zweijährigen Therapie sei das Risiko erhöht. Bei einem niedrigen Antikörperspiegel sei das Risiko dagegen geringer als bisher angenommen.
Personen mit einem Antikörper-Index über 1,5 sollen die Behandlung mit Tysabri zukünftig nur fortsetzen, wenn durch den Arzt ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis bescheinigt wurde. Der PRAC empfiehlt alle sechs Monate eine Antikörpertestung, sofern die Patienten bereits länger als zwei Jahre mit Tysabri behandelt wurden. Bei Patienten mit negativem Ergebnis soll der Test alle sechs Monate wiederholt werden. Wenn der Verdacht einer PML auftritt, muss die Behandlung mit Tysabri gestoppt werden, bis die PML ausgeschlossen werden kann.
Nach Angaben des PRAC ist die Früherkennung und frühzeitige Behandlung der PML sehr wichtig, um das Ausmaß der Hirnschädigung und damit einhergehende Einschränkungen möglichst gering zu halten. Asymptomatische PML-Fälle können im Kernspintomogramm diagnostiziert werden. Für Patienten mit erhöhten PML-Risiko für eine PML empfiehlt der PRAC daher alle drei bis sechs Monate Kernspintomografie-Untersuchungen ohne Kontrastmittel.
Eine endgültige Stellungnahme des Ausschusses für Humanarzneimittel (CHMP) wird in den kommenden Wochen erwartet. Gleichzeitig sollen ausführliche Informationen und Hinweise für Patienten und medizinische Fachkreise veröffentlicht werden.
Tysabri wurde erstmals 2006 in Europa zugelassen. Das Arzneimittel des Herstellers Biogen Idec dient zur Therapie besonders aggressiver Formen der schubförmig verlaufenden Multiplen Sklerose (MS). Auch bei anderen MS-Medikamenten sind ähnliche Fälle aufgetreten. So hatte 2015 Novartis über einen Fall von PML unter Behandlung mit Gylenia (Fingolimod) berichtet.
Die PML ist eine seltene und schwere Hirninfektion, die durch das JC-Virus verursacht wird. Das Virus ist in der Gesamtbevölkerung weit verbreitet, führt aber nur zu PML, wenn das Immunsystem geschwächt ist. Die PML ist wie MS eine demyelinisierende Erkrankung und manifestiert sich mit ähnlichen Symptomen.
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