Die Arzneimittelkommission (AMK) warnt derzeit vor potenziellen Medikationsfehlern bei Otriven Nasentropfen (Xylometazolin) für Säuglinge. Bereits im vergangenen Jahr wurden die Produktinformationen diesbezüglich angepasst. Apotheken sollen Eltern verstärkt informieren.
Grund für die potenziellen Medikationsfehler sei die enthaltene Pipette zum Applizieren der Nasentropfen. Eine Apotheke machte die AMK auf die Problematik aufmerksam: Mehrere Eltern hatten berichtet, dass die zuverlässige Verabreichung der empfohlenen Menge an Tropfen mit der beiliegenden Pipettenmontur nur schwer umzusetzen sei. Dies sei vor allem bei unruhigen Kindern der Fall – je jünger das Kind sei, desto größer gestalteten sich die Schwierigkeiten.
In den Produktinformationen von xylometazolin- und oxymetazolinhaltigen Nasentropfen zur Anwendung bei Säuglingen und Kleinkindern ist bereits ein Warnhinweis enthalten, der über mögliche, schwere Nebenwirkungen wie Atemstillstand informiert. Bereits bei einer Verabreichung von den angegebenen therapeutischen Dosen – zwei bis dreimal täglich ein Tropfen in jede Nasenöffnung – können die unerwünschten Wirkungen auftreten. Das Risiko kann sich durch unabsichtliches Überdosieren der Tropfen zusätzlich erhöhen. Im vergangenen Jahr wurden daher die Produktinformationen von Otriven für Säuglinge ergänzt: Sie erhalten nun den Hinweis, dass die Anwendung bei Kindern unter einem Jahr nur unter ärztlicher Aufsicht erfolgen sollte. Laut GlaxoSmithKline stellt diese Ergänzung keine Änderung der Zulassung dar – die Anwendung bei unter Einjährigen ohne ärztliche Aufsicht sei daher kein Off-Label-Use. Bei der Applikation von Arzneimitteln an Säuglinge sei allgemein erhöhte Vorsicht geboten.
Vor der ersten Anwendung von Otriven bei Säuglingen sollte daher ein Arzt konsultiert werden. Wenn keine unerwünschten Ereignisse auftreten, könne das Arzneimittel für weitere Behandlungen – unter Beachtung der Indikation und der Anwendungshinweise – auch ohne ärztliche Aufsicht durch das pharmazeutische Personal in der Apotheke abgegeben werden. Die Apotheke sollte jedoch jederzeit auf die potentiellen Risiken hinweisen. Die AMK bittet das Apothekenpersonal zudem, die Eltern angemessen zur Dosierungsempfehlung und zur richtigen Anwendung der Dosierpipette gemäß Gebrauchsinformation zu informieren und die Applikation gegebenenfalls zu demonstrieren.
Anfang 2018 hatte GlaxoSmithKline die Altersgrenzen für Otriven angehoben: Den Anfang machte das Nasenspray in der 0,1-prozentigen Dosierung, das seitdem nicht mehr ab sechs, sondern erst ab zwölf Jahren eingesetzt werden soll. Hintergrund war eine Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur „Define Daily Dose“ (DDD), die demnach bei vielen Produkten deutlich überschritten wird. Bereits 1984 hatte die WHO Statistiken zur DDD bei lokal anzuwendenden Dekongestiva veröffentlicht: Dabei handelt es sich um einen statistischen Wert, der angibt, welche Tagesdosierung die Hersteller für bestimmte Wirkstoffe in den verschiedenen Ländern empfehlen.
Erwachsene sollen demnach in der Regel maximal 0,8 mg Xylometazolin pro Tag anwenden. Bei dreimal täglicher Anwendung in beiden Nasenlöchern liegen die in Deutschland verwendeten Dosierungen für Erwachsene unter dem WHO-Durchschnitt –anders sieht es bei Kindern beziehungsweise Jugendlichen aus. GSK hat nachgerechnet: Als Grundlage diente die sogenannte „Clark‘s Rule“ : Demnach ergibt sich die Dosierung für Kinder aus Körpergewicht in kg, multipliziert mit der Erwachsenendosis, geteilt durch 70.
Daraus leitete der Hersteller ab: Kindern mit 10 bis 20 kg Körpergewicht (2 bis 6 Jahre) werden 14 bis 29 Prozent der Tagesdosis für Erwachsene empfohlen. Das entspricht 0,11 bis 0,23 mg. Kindern mit 20 bis 40 kg Körpergewicht (6 bis 12 Jahre) werden entsprechend bis zu 57 Prozent der Tagesdosis für Erwachsene empfohlen, also bis zu 0,46 mg. Für Otriven ergeben sechs Sprühstöße à 140 µl bereits eine Gesamtzufuhr von 0,73 mg – der WHO-Grenzwert für Erwachsene ist also nahezu erreicht. Entsprechend hat der Konzern die Altersgrenze für das 0,1-prozentige Nasenspray von sechs auf zwölf Jahre angehoben. Weitere Produkte der Reihe sollen ebenfalls angepasst werden. Andere Hersteller sahen keinen Handlungsbedarf, obwohl auch bei ihnen der auf Kinder umgerechnete Grenzwert überschritten wird.
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