Und sie sind es doch... Als im Juli die weltweite Rückrufwelle mit Nitrosaminen verunreinigter Valsartan-haltiger Arzneimittel startete, gab der chinesischen Lohnhersteller Zhejiang Huahai Pharmaceutical für die anderen am Standort produzierten Sartane Entwarnung. Doch es folgten Rückrufe bei Irbesartan und Losartan. Das Europäischen Direktorat für die Qualität von Arzneimitteln (EDQM) in Straßburg hat dem Hersteller nun das Certificate of the European Pharmacopeia (CEP) entzogen. Für Valsartan hatten die Chinesen das EU-Zertifikat bereits im Sommer verloren.
Das 1989 gegründete Unternehmen produziert nicht nur Valsartan, sondern auch andere Wirkstoffe aus der Gruppe der Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten. Außerdem liefert der Produzent Captopril und Enalapril. Im Juli teilte das chinesische Unternehmen mit, die unterschiedlichen Synthesewege genau analysiert zu haben und eine Verunreinigung mit N-Nitrosodimethylamin (NDMA) bei anderen Sartanen aufgrund von unterschiedlichen Herstellungsprozesse ausschließen zu können.
Zumindest in diesem Punkt hielt das Unternehmen Wort. Es folgten jedoch Rückrufe bei Irbesartan und Losartan, allerdings aufgrund einer anderen Verunreinigung. Die aktiven Substanzen (API) waren mit einem anderen Nitrosamin – N-Nitrosodiethylamin (NDEA) verunreinigt, erst gestern rief Heumann zwei Irbesartan-haltige Arzneimittel in verschiedenen Chargen zurück. Die Arzneimittel wurden mit dem Wirkstoff des chinesischen Lohnherstellers hergestellt, jedoch hatte das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in einer Wirkstoffcharge Irbesartan geringfügig erhöhte NDEA-Werte festgestellt.
Das EDQM hat reagiert und umgehend das CEP für beide Substanzen entzogen – bis das Unternehmen Maßnahmen zur Korrektur ergriffen hat. Betroffen sind die Zertifikate R1-CEP 2010-033-Rev 01 (Irbesartan) und R1-CEP 2010-139-Rev 00 (Losartan-Kalium).
Anders als die USA haben die Mitgliedstaaten der EU sich nicht einem vollumfänglichen Importstopp der Betriebsstätte Chuannan des chinesischen Lohnherstellers angeschlossen. Die Fabrik wurde jedoch unter „verstärkte Aufsicht der europäischen Behörde gestellt“. So soll die Umsetzung der geforderten korrigierenden Maßnahmen engmaschig kontrolliert werden. Laut Kurzinformation zum Jour Fixe ist eine „Full Inspection“ der gesamten Herstellungsstätte für Anfang dieses Jahres vorgesehen.
Nitrosamin-Verunreinigungen können während der Wirkstoffherstellung an verschiedenen Stellen anfallen. Zum einen können sie aufgrund des Syntheseverfahrens entstehen. Im Fall Valsartan kann die Anwesenheit von NDMA auf die Umstellung des Syntheseverfahrens im Jahr 2012 zurückgeführt werden. Als wahrscheinlichste Ursache gilt eine Modifikation bei der Herstellung von Tetrazol. Hier soll im konkreten Fall N,N-Dimethylformamid (DMF) als Lösungsmittel eingesetzt worden sein, Zinkchlorid und Natriumazid dienten als Katalysatoren. „Beim Abbau von DMF können geringe Mengen an Dimethylamin entstehen. In Gegenwart mit Salpetriger Säure entsteht dann NDMA“, erklärt ein Experte. Andere Hersteller verwenden anstelle von DMF als Lösungsmittel Toluol beziehungsweise o-Xylen, sodass eine Reaktion mit Natriumnitrit zu NDMA ausgeschlossen ist. Eine andere Möglichkeit ist die Verwendung von zurückgewonnen Materialien, die mit Nitrosaminen verunreinigt sind.
NDEA ist ein Nitrosamin-Derivat, dem alkylierende, kanzerogene und mutagene Eigenschaften zugesprochen werden. Enthalten ist NDEA in Tabakrauch. Eingesetzt wird die Substanz als Benzin- und Schmiermitteladditiv oder Antioxidans und Stabilisator für Industriematerialien. Die DNA-Integrität wird vermutlich durch Alkylierung beeinflusst. NDEA findet in der experimentellen Forschung zur Induktion der Lebertumorigenese Anwendung. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat NDEA als Karzinogen der Gruppe 2 – möglicherweise für den Menschen krebserregend – eingestuft.
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