Nach dem Tod von drei krebskranken Patienten im Universitätskrankenhaus der westfranzösischen Stadt Nantes ermitteln Behörden und Staatsanwaltschaft. Wie der Nachrichtensender BFMTV und andere französische Medien am Freitag berichteten, sollen die Chemotherapie-Patienten im Alter von 61 bis 65 Jahren wegen eines Lieferengpasses ein Ersatzmedikament erhalten haben.
Die Krebspatienten starben zwischen dem 10. und 13. November. Ein vierter Patient, der dieselbe Behandlung mitmachte, sei immer noch im Krankenhaus. Der Fall beschäftige inzwischen auch die Arzneimittelbehörde ANSM und Gesundheitsministerin Marisol Touraine.
Die Patienten hatten nach Medienberichten eine autologe Stammzelltransplantation erhalten und waren mit Cyclophosphamid behandelt worden. Das eigentliche Standardpräparat Alkeran (Melphalan) ist seit Monaten immer wieder defekt; deshalb waren die französischen Ärzte ausgewichen. Allerdings gilt auch Cyclophoshamid als sicher, der Wirkstoff wird seit Jahren eingesetzt.
Melphalan wird vor allem in der Behandlung von Leukämien und Lymphomen zur Vorbereitung auf Stammzelltransplantationen eingesetzt. Es ist in dieser Indikation – insbesondere in seinem Haupteinsatzgebiet, der Hochdosistherapie von Patienten mit Multiplem Myelom – nur schwer durch andere Substanzen zu ersetzen.
Alkeran stammt aus den 1950er Jahren, der Patentschutz ist abgelaufen. Generika gibt es in Deutschland trotzdem nicht. GlaxoSmithKline (GSK) hatte das Präparat an Aspen auslizensiert; am südafrikanischen Hersteller ist der britische Konzern mit 25 Prozent beteiligt.
Grund für den Lieferengpass war eine vorübergehende Einstellung der Produktion beim Auftragshersteller GSK in Parma/Italien, nachdem Unstimmigkeiten in der Dokumentation von Messwerten festgestellt worden waren. Nach Angaben von GSK war die Produktion im Mai wieder angelaufen. Aspen beschränkte die Abgabe Alkeran zunächst auf Bestellmengen, die für aktuelle Therapien benötigt werden.
Bereits 2014 und 2015 war Alkeran nach Aussage der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) zeitweise nicht lieferbar gewesen. Im vergangenen Jahr war die Trockensubstanz mit 50 mg zur Herstellung von Infusionslösungen wochenlang defekt. Auch damals sei der Grund eine Verzögerung bei der Freigabe von Produktionschargen in der weltweit einzigen Produktionsstätte in Italien gewesen. Die Tabletten waren zwar verfügbar, konnten aber wegen der geringeren Dosierung von 2 mg nicht weiterverarbeitet werden.
Der Lieferengpass von Melphalan sei ein negatives „Paradebeispiel“ für ein grundsätzliches Problem, so DGHO-Geschäftsführer Professor Dr. Carsten Bokemeyer. Medikamente, die nicht mehr dem Patentschutz unterliegen und häufig weltweit nur noch von wenigen oder nur einem Hersteller produziert werden, seien extrem anfällig für Lieferengpässe. In der Onkologie werde daraus schnell ein Versorgungsengpass.
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