Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ruft den globalen Gesundheitsnotstand aus. Das sich rasant ausbreitende Virus könnte ungeborenes Leben schädigen – der Nachweis steht noch aus. Ob es richtig ist, die Welt in Alarmbereitschaft zu versetzen, lässt sich nicht vorhersagen. Keinesfalls sollte vergessen werden, dass es viele weitere Seuchen gibt, die dringend bekämpft werden müssen. Populismus kann in dieser Situation nur schaden.
Unbestritten: Das Zika-Virus hat sich in den letzten Jahren verändert. Wurden über 50 Jahre hinweg nur einige Dutzend Fälle gemeldet, stiegen die Infektionszahlen seit 2007 dramatisch an. Zunächst überrollte das Virus die Mikronesischen Inseln, mittlerweile ist es mindestens in 23 Ländern angekommen. Selbst in Südeuropa hat man die Mücken entdeckt, die das Virus in sich tragen.
Ist es vor diesem Hintergrund richtig, die Welt in Alarmbereitschaft zu versetzen? Immerhin ist Zika nicht gerade als der Todbringer bekannt wie Ebola oder der Dengue-Erreger. Im Gegenteil, beim Großteil der Infizierten wird das Virus nicht einmal bemerkt. Und auch das Auftreten von Mikrozephalie ist bislang nicht eindeutig auf den Zika-Erreger zurückzuführen.
Vor diesem Hintergrund erscheint der Aktionismus der WHO zumindest fraglich. Seit 2005 wurde der weltweiten Gesundheitsnotstand dreimal ausgerufen: 2009 während der Schweinegrippe-Pandemie, 2014 beim Wiederauftreten von Polio-Fällen und im vergangenen Jahr im Rahmen der Ebola-Epidemie. Kritiker standen jedesmal auf dem Plan: Die Schweinegrippe wurde überschätzt – die eilig mit viel Geld eingekauften Impfstoffe verrotteten in den Lagern. Bei der Ebola-Krise dagegen wurde der WHO zu langsames Agieren vorgeworfen: Der gefährliche Erreger forderte mehrere Zehntausend Todesopfer, zu spät habe der Weltgesundheitsverband sich eingeschaltet, war allerorts zu hören. Von Polio haben die Europäer ohnehin nichts mitbekommen.
Und nun Zika. Olympia in Brasilien sei in Gefahr, wird nun allerorts postuliert. Es scheint, als könne die WHO nur den falschen Weg wählen. Das verwundert nicht: Wer mit Wahrscheinlichkeiten umgehen muss, der wird nicht allen Erwartungen gerecht. Dennoch muss man sich fragen, ob die Maßnahme für den vergleichsweise harmlose Erreger angemessen ist oder ob der mediale Druck schlicht zu hoch war.
Mit Sicherheit ist es notwendig, dass weltweit Anstrengungen unternommen werden, um das sich so schnell ausbreitende Virus genauer kennenzulernen. Das gebieten schon die mutmaßlich schrecklichen Auswirkungen von Kindern der infizierten Schwangeren. Es ist auch richtig, dass jetzt an der Entwicklung von Impfstoffen geforscht und dafür Geld in die Hand genommen wird. Bei alledem sollte aber dem Zika-Virus der Platz eingeräumt werden, der ihm gebührt. Und das ist in Anbetracht von Millionen HIV-Infizierten, Dengue- und Ebola-Opfern und selbst der Influenza mit bis zu 20.000 Todesopfern in Deutschland sicher nicht Platz 1.
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