Stufenplanverfahren

Johanniskraut: Kontrazeptiva dürfen bleiben

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Berlin -

Präparate mit Johanniskraut und Kontrazeptiva dürfen trotz bestehender Wechselwirkungen auch in Zukunft parallel eingenommen werden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat seinen Bescheid aus dem Jahr 2005 überarbeitet und gibt den betroffenen Herstellern nun noch einmal Gelegenheit zur Stellungnahme. Antikoagulanzien sollen künftig kontraindiziert sein, Antidepressiva dafür nicht mehr. Die neuen Hinweise gelten nur noch für die apothekenpflichtigen Präparate.

Das Stufenplanverfahren war bereits im März 2000 eingeleitet worden. Nach Anhörung der Hersteller hatte das BfArM im Oktober 2005 einen Bescheid erlassen, der zahlreiche Änderungen in Fach- und Gebrauchsinformation vorsah. Dabei ging es vor allem um Kontraindikationen und Wechselwirkungen.

Bei den bestehenden Kontraindikationen – Immunsuppressiva wie Cilosporin und Tacrolimus, Mitteln gegen HIV wie Proteinkinaseinhibitoren wie Indanivir sowie Zytostatika wie Irinotecan – gab es einige Erweiterungen. Neu hinzukommen sollten Antikoagulanzien wie Phenprocoumon und Warfarin sowie hormonelle Kontrazeptiva.

„Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand besteht der begründete Verdacht, dass bestimmte Hypericum-haltige Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen“, hieß es zur Begründung. Die beschriebenen Änderungen und Ergänzungen seien erforderlich, um die Risiken bei der Anwendung so weit wie möglich zu vermindern und die Fachkreise und Patienten über die möglichen Gefahren zu informieren. „Arzneimittel, die die Sicherheitsanforderungen nicht erfüllen, sind nach Ablauf der genannten Fristen nicht mehr verkehrsfähig und dürfen somit von keinem der Verkehrskreise mehr in den Verkehr gebracht werden.“

Insbesondere die neuen Gegenanzeigen drohten die Hersteller von Johanniskraut-Präparaten empfindlich zu treffen. Gegen den Bescheid wurde daher Widerspruch eingelegt: Die Pharmaverbände BAH und BPI gaben im Januar 2006 eine gemeinsame Stellungnahme ab.

Neun Jahre lag der Fall jetzt in Bonn – die Überprüfung der Sach- und Rechtslage habe „bedauerlicherweise einige Zeit in Anspruch genommen“, so das BfArM. „Sie ist jetzt aber abgeschlossen.“ Zahlreiche Punkte der Stellungnahme hätten aufgenommen werden können; auch die zwischenzeitlich in Kraft getretenen HMPC-Monografien zu Johanniskraut seien berücksichtigt worden.

Komplett ausgenommen von den neuen Vorgaben werden Arzneimittel mit einer Tagesdosis unter 1 g Drogenäquivalent beziehungsweise unter 1 mg Hyperforin sowie Homöopathika, bei denen die Endkonzentration höher ist, als es einer homöopathischen Verdünnung von D1 entspricht. Hier hätten sich aus dem wissenschaftlichen Erkenntnismaterial keine belastbaren Hinweise für ein Wechselwirkungsrisiko ergeben. Bislang hatte das BfArM eine Grenze von 0,2 g Droge beziehungsweise Drogenäquivalent vorgesehen; die neue Regelung klammert freiverkäufliche Varianten also gezielt aus.

Dem Vorschlag der Pharmaverbände, den Hinweis auf Antikoagulantien im Absatz „Gegenanzeigen“ zu streichen und wieder unter „Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen“ aufzunehmen, wurde nicht gefolgt. „Die Umpositionierung der Angaben zu Kontrazeptiva ist erfolgt“, heißt es knapp in dem BfArM-Schreiben.

Ansonsten wurden die Interaktionen wie geplant aufgeschlüsselt in „Pharmakokinetisch-antagonistische Wechselwirkungen“ und „Pharmakodynamisch-synergistische Wechselwirkungen“. Hier wurden Antidepressiva vom SRI- beziehungsweise SSRI-Typ aufgenommen, die bislang als kontraindiziert galten. Angaben zur Erniedrigung der Plasmakonzentration von Theophyllin wurden gestrichen.

Das BfArM hält die Neuregelungen für notwendig und angemessen, um den vorliegenden Erkenntnissen zur Risikominimierung zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen im Zusammenhang mit der medizinischen Einnahme von Johanniskraut Rechnung zu tragen. „Es beabsichtigt grundsätzlich nicht (mehr) davon abzuweichen.“

Da zahlreiche Arzneimittel und unterschiedlichen Sachverhaltskonstellationen betroffen seien, bekommen die Hersteller noch einmal Gelegenheit zu einer begrenzten Stellungnahme. „Diese Anhörung soll eine abschließende Prüfung durch die betroffenen pharmazeutischen Unternehmer und anschließend durch das BfArM ermöglichen, ob diese Regelungen in Bezug auf das individuelle Arzneimittel angemessen sind.“

In Bonn will man unnötige Ungenauigkeiten und mögliche Missverständnisse vermeiden, „die mit der notwendigerweise generell-abstrakten Regelung durch Widerspruchsbescheid in Bezug auf das konkrete Arzneimittel auftreten können und die anders nur in einem Klageverfahren ausgeräumt werden könnten“.

Die Unternehmen sollen innerhalb eines Monats antworten; die neuen Regelungen sollen am 1. Dezember 2016 in Kraft treten. „Das BfArM macht jedoch ausdrücklich darauf aufmerksam, dass es – abgesehen von derartigen Besonderheiten – keine Abstriche an der aus Gründen der Arzneimittelsicherheit notwendigen Vereinheitlichung bzw. Einheitlichkeit der Fach- und Gebrauchsinformation zulassen wird.“

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