Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) berichtet über eine Patientin, die an schubförmiger Multipler Sklerose leidet und eine Varizella-zoster-Virus (VZV)-Meningoenzephalitis entwickelt hat. Sie nimmt diesen Fall zum Anlass, an das Risiko von VZV-Infektionen aufgrund der immunsuppressiven Wirkung von Fingolimod zu erinnern.
Die betroffene Patientin war 45 Jahre alt und litt seit über 20 Jahren an schubförmiger Multipler Sklerose. Seit fünf Jahren war sie auf Gilenya (Fungolimod) eingestellt. Zunächst zeigte sich bei ihr ein verschlechterter Allgemeinzustand: Sie litt unter Müdigkeit und Abgeschlagenheit, außerdem bestand eine Sensibilitätsstörung im rechten Bein.
Zunächst bestand der Verdacht auf einen MS-Schub: Daher erfolgte eine hochdosierte Stoß-Therapie mit intravenösen Kortikosteroiden – ohne Eintreten einer Besserung. Innerhalb einer Woche entwickelten sich zudem Verlangsamung, Desorientiertheit und leichte Dysarthrie. Daraufhin kam es zu weiterer Diagnostik, die meningoenzephalitische Veränderungen im MRT sowie VZV im Liquor nachweisen konnte. Weitere Erreger (EBV, CMV, HSV, HHV 6, Enteroviren, JC-Virus, Kryptokokken, Mykobakterien) waren nicht nachweisbar.
Die Patientin wurde daraufhin mit Aciclovir bis 15 mg/kg Körpergewicht, Immunglobulinen intravenös sowie Prednisolon oral behandelt. Dennoch kam es zu einer Hemiparese und Dysarthrie: Das wiederrum wurde durch eine Einblutung am ehesten auf dem Boden eines ischämischen Schlaganfalles bei vaskulitischem Verlauf gewertet. Bei Entlassung in eine Rehabilitationseinrichtung hatte sich die Hemiparese leicht gebessert. Die enzephalitischen Veränderungen im MRT sowie die Viruskopienzahl im Liquor waren rückläufig.
Die AkdÄ möchte daher erneut an das Risiko von VZV-Infektionen aufgrund der immunsuppressiven Wirkung von Fingolimod erinnern – bereits in den Zulassungsstudien wurden Herpesvirus-Infektionen bei Patienten beschrieben. Daher wird in den Produktinformationen die Testung auf Immunität gegen Varizellen (Windpocken) und humane Papillomaviren (HPV) gefordert. Sind diese nicht gegeben, ist eine vollständige Immunisierung vor der ersten Einnahme durchzuführen. Treten bei einem Patienten entsprechende Symptome einer möglichen Infektion auf, sollte umgehend ein Arzt konsultiert werden. Falls eine schwere Infektion auftritt, sollte ein Absetzen des MS-Therapeutikums in Betracht gezogen werden. Apotheker sollen betroffene Patienten daher sensibilisieren und über die Anzeichen aufklären. Bei Erstverordnung sollte der Impfstatus des Patienten erfragt werden.
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