Erst war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft gegen Boehringer Ingelheim wegen zurückgehaltener Informationen zu seinem Gerinnungshemmer Pradaxa (Dabigatran) ermittelt. Nun gibt es Vorwürfe gegen den Konkurrenten Bayer. Bei einer Zulassungsstudie für Xarelto (Rivaroxaban) sollen defekte Messgeräte verwendet worden sein. Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) untersucht den Vorgang.
Bei Tests von Patienten sei in einer Gruppe ein nicht funktionstüchtiges Gerät zur Bestimmung der Gerinnungswerte verwendet worden. Bayer bestreitet das auf Nachfrage nicht, weist aber auf andere Studien hin, die die Ergebnisse aus der Zulassungsstudie betätigt hätten.
In der betroffenen Studie wurde Xarelto zur Schlaganfallprophylaxe bei mehr als 14.000 Patienten mit Vorhofflimmern mit dem Therapiestandard Warfarin verglichen. Das Risiko für Schlaganfälle und Thromboembolien konnte im Vergleich zu Warfarin um 21 Prozent gesenkt werden. Außerdem reduzierten sich unter Xarelto das Auftreten von Herzinfarkten sowie die Gesamtsterblichkeit. Die Blutungsraten waren mit denen von Warfarin vergleichbar.
Die defekten Geräte wurden ausschließlich in der Vergleichsgruppe angewendet. Die EMA befürchtet, dass sich die Gerinnungswerte durch die falsche Messung negativ auf die Werte der Warfarin-Gruppe auswirken. Dadurch könnte das Ergebnis der Studie zugunsten von Xarelto verfälscht worden sein.
Sollte sich der Verdacht bestätigen, stehen Bayer empfindliche Umsatzeinbußen ins Haus. Xarelto ist der Blockbuster des Konzerns mit einem Jahresumsatz von zuletzt 1,7 Milliarden Euro. Zusätzlich muss mit Strafzahlungen und einem herben Imageverlust gerechnet werden. Die Bayer-Aktie rauschte bereits in den Keller.
Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat ebenfalls Untersuchungen eingeleitet. In den USA ist das Thema noch brisanter: Wie die Konkurrenten Boehringer und Pfizer (Eliquis, Apixaban) muss sich Bayer bereits mit Klagen von Patienten auseinandersetzen. Die Gerinnungshemmer der drei Konzerne werden für Blutungen und Todesfälle verantwortlich gemacht. Boehringer hatte in einem Vergleich im vergangenen Jahr 650 Millionen US-Dollar (rund 470 Millionen Euro) gezahlt, um die Klagewelle beizulegen.
Auch in Deutschland war die Zahl der gemeldeten Todesfälle unter Xarelto in den Jahren nach der Zulassungserteilung deutlich angestiegen. Bereits zwischen 2011 und 2012 war die Zahl der dem BfArM gemeldeten Verdachtsberichte von 58 auf 72 gestiegen. 2013 lagen 102 Verdachtsberichte zu Todesfällen vor. Nach Ansicht des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) könnte der Anstieg der Meldungen aber auch auf gestiegene Verordnungszahlen oder stärkere öffentliche Aufmerksamkeit für ein Mittel zurückzuführen sein. Aktuell werden Patenten von der Behörde aufgefordert, die Behandlung keinesfalls ohne Rücksprache mit dem Arzt zu unterbrechen.
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