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Rabattarzneimittel aus Verkehr gezogen

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Berlin -

Zahlreiche Arzneimittel sind seit gestern nicht mehr verkehrsfähig: Betroffen sind rund 80 Präparate, deren Zulassung mutmaßlich gefälschte Bioäquivalenzstudien des indischen Dienstleisters GVK Biosciences zugrunde lagen. Das sorgt in den Apotheken für Chaos – auch weil einige Präparate Rabattarzneimittel für Millionen von Versicherten sind.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatte am Montag das Ruhen von 63 Zulassungen angeordnet. Weitere 17 Präparate, deren Zulassung bereits erloschen war, die aber noch abverkauft werden durften, wurden für nicht mehr verkehrsfähig erklärt. Bei einigen Präparaten spielt die Anordnung des BfArM keine Rolle, weil sie ohnehin nicht im Artikelstamm gelistet sind.

Anders sieht es bei den Medikamenten aus, die noch regulär auf dem Markt sind. Besonders betroffen ist Heumann: 13 Zulassungen des Herstellers hat das BfArM bis 1. Dezember 2015 außer Kraft gesetzt, darunter sind Präparate, für die es Rabattverträge gibt: Irbesartan haben AOK, Barmer GEK, DAK Gesundheit, hkk und IKK classic in allen drei Wirkstärken unter Vertrag. Die Kombination Irbesartan/HCT wird für AOK und Barmer geliefert. Für das Antidepressivum Venlafaxin haben Barmer, DAK und zahlreiche Betriebs- und Innungskrankenkassen Verträge abgeschlossen.

Auch für Cefpodoxim und Levetiracetam von Hormosan wurde das Ruhen der Zulassung angeordnet – mit dem Antibiotikum ist der Hersteller Rabattpartner der AOK Bayern, mit dem Antiepileptikum bei der AOK Bayern und der KKH.

Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) weist auf die geltenden Bestimmungen der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) hin, wonach nicht verkehrsfähige Arzneimittel in der Apotheke zu kennzeichnen und zu separieren sind. Informiert wurden die Apotheker bislang aber nicht: „Informationen der Zulassungsinhaber zu den Rückgabemodalitäten für die einzelnen Arzneimittel werden in Kürze erwartet.“ Bei der AMK war wegen einer Besprechung vorübergehend auch nur der Anrufbeantworter zu erreichen.

Bei den Herstellern ist man vielfach noch ratlos, wie mit der Problematik umzugehen ist: Die Anordnungen werden derzeit geprüft, eine offizielle Information gibt es derzeit nicht. Von einem „Schnellschuss“ des BfArM ist die Rede – ein Sprecher der Behörde verteidigt das Vorgehen als Maßnahme des vorbeugenden Patientenschutzes. Außerdem hätten die Unternehmen im Vorfeld die Möglichkeit gehabt, Stellung zu nehmen.

Das Problem: In der Apotheke lässt sich kaum nachvollziehen, was noch abgegeben werden darf und was nicht. Denn die Firmen haben für ihre Produkte in der Regel mehrere Zulassungen in der Tasche, die in der Regel von unterschiedlichen Dienstleistern gekauft wurden. Auch aktuell sind nur bestimmte Zulassungen betroffen, während die Dubletten noch verkehrsfähig sind. Auf welcher Grundlage tatsächlich produziert wird, kann von Charge zu Charge variieren. Der Rückruf von Clopidogrel vor einigen Jahren kam entsprechend in mehreren Intervallen.

Dazu kommt, dass das BfArM nur für nationale Zulassungen zuständig ist – und solche, die aus anderen EU-Mitgliedstaaten anerkannt wurden. Das kann zu der absurden Situation führen, dass Präparate in anderen Ländern für verkehrsfähig erklärt werden, hierzulande aber nicht mehr verkauft werden dürfen.

1250 zentrale Zulassungen werden derzeit von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) geprüft. Eine Empfehlung will die Behörde erst im Januar abgeben. Zum Vergleich: Das BfArM hat bislang 176 Zulassungen kontrolliert.

Die französische Arzneimittelbehörde ANSM hatte im Mai den Dienstleister GVK Biosciences in Hyderabad inspiziert. In allen neun Bioäquivalenzstudien aus den Jahren 2008 bis 2014, die die Behörde untersucht hatte, waren manipulierte Elektrokardiogramme (EKG) entdeckt worden. Diese „systematische Fälschung“ zeige erhebliche Mängel am Qualitätssystem der Firma, hieß es. EMA und BfArM hatten daraufhin die Hersteller aufgefordert zu prüfen, ob und bei welchen Zulassungen sie GVK mit entsprechenden Studien beauftragt hatten.

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