Misoprostol

Frankreich: Aus für Cytotec

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Berlin -

Zu viele unerwünschte Nebenwirkungen (UAW) im Off-Label-Use: Cytotec (Misoprostol) wird in Frankreich vom Markt genommen. Ab 1. März 2018 wird das auch als Abtreibungspille genutzte Präparat nicht mehr verfügbar sein. Für Deutschland hatte Pfizer die Entscheidung bereits 2006 getroffen.

Misoprostol ist ein Prostaglandin-E1-Analogon und wird zur Behandlung von Magen- und Duodenalulzera eingesetzt. Der Arzneistoff wird außerdem für einen Schwangerschaftsabbruch im ersten und zweiten Trimenon verwendet. Off label eingesetzt soll Cytotec die Geburt einleiten.

Misoprostol ist ein Prodrug, das nach der Leberpassage in den aktiven Metaboliten umgewandelt wird. Der Prostaglandin-Agonist greift an den Belegzellen an und hemmt so die Produktion von Magensäure und Pepsin. Außerdem bewirkt der Arzneistoff eine Kontraktion des Myometrikums, der glatten Muskulatur der Gebärmutter, wodurch sich der Gebärmutterhals öffnet. Zu den häufigsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen zählen Infektionen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Blähungen, Krämpfe, Uteruskontraktionen und Blutungen.

In Frankreich wurde das Arzneimittel off label für die Einleitung von Geburten und medizinisch indizierten Aborten eingesetzt. In diesem Rahmen wurde eine Reihe von Nebenwirkungen dokumentiert. Das Fachjournal „The Lancet“ hat über die Marktrücknahme berichtet. Pfizer teilte den genauen Grund für die Entscheidung nicht mit. Ob weitere der 79 Länder, in denen das Produkt noch auf dem Markt ist, betroffen sind, wollte der Konzern nicht sagen. Man treffe „Entscheidungen von Fall zu Fall“, wird Pfizer zitiert. Man habe die „Entscheidung für Frankreich in voller Übereinstimmung mit der Französischen Agentur für die Sicherheit von Gesundheitsprodukten (ANSM) getroffen“.

Die ANSM warnte bereits 2005 und 2013 vor den Risiken des Arzneimittels. Das Problem: Etwa 94 Prozent aller französischen Cytotec-Verschreibungen sind für den Off-Label-Use, obwohl Alternativen auf dem Markt sind – Propess (Dinoproston, Ferring) intravaginal zur Geburtseinleitung sowie GyMiso und MisoOne (Misoprostol, Nordic) als orale medizinische Abtreibungspillen.

Experten vermuten den Preisunterschied als Grund für die hohen Verordnungszahlen. Das französische Gesundheitssystem zahlt 190 Euro an Nichtkrankenhausärzte für eine medizinische Abtreibung, davon sind 36 Euro Arzneimittelgebühr. Während Cytotec lediglich 64 Cent kostet, werden für GyMiso 36 Euro fällig.

Viele Ärzte hätten sich zudem für eine vaginale anstelle der oralen Gabe für eine Geburtseinleitung entschieden, die mit schwerwiegenden Nebenwirkungen einhergehen kann. Blutungen, Gebärmutterbruch oder kardiovaskuläre und neurodegenerative Ereignisse bei den Babys können die Folgen sein. Die UAW könnten zum Teil auf die schlechte Dosierbarkeit von Cytotec zurückgeführt werden. Das Arzneimittel ist zu 200 µg im Handel, es sind jedoch nur 25 µg nötig. Das bedeutet, die Tablette muss in acht Teile geteilt werden, wozu das Arzneimittel nicht vorgesehen ist.

In Frankreich wird der Ruf nach Strafen für den Off-Label-Use laut, wenn die ANSM einen Gebrauch außerhalb der Indikation als gefährlich einstuft. In Frankreich werden etwa 22 Prozent der Geburten eingeleitet. Die ANSM will nun sicherstellen, dass mit der Marktrücknahme eine Alternative zu 25 µg Misoprostol im Handel ist. Geeignet für die Geburtseinleitung wäre Angusta (Misoprostol 25 µg, Azanta). Der dänische Hersteller hatte das Arzneimittel im April in den skandinavischen Ländern auf den Markt gebracht. Kritiker sehen jedoch keinen Vorteil, ein Arzneimittel mit dem gleichen Wirkstoff als Alternative auf den Markt zu bringen, denn auch in Dänemark werden starke Kontraktionen sowie Brüche der Gebärmutter beschrieben. Am 20. November werden ANSM, Patientenverbände sowie Angehörige von Gesundheitsberufen und akademischen Gremien den Fall diskutieren.

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