Rote-Hand-Brief

Fluorchinolone: Warnung vor Aortenaneurysma

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Berlin -

Systemisch und inhalativ angewendete Fluorchinolone können das Risiko für Aortenaneurysmen und -dissektionen erhöhen, insbesondere bei älteren Personen. Darauf weist ein aktueller Rote-Hand-Brief der Hersteller in Abstimmung mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) hin.

Bei Patienten mit einem Risiko für Aortenaneurysmen und -dissektionen sollten Fluorchinolone nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung und Berücksichtigung anderer Therapiemöglichkeiten angewendet werden. Prädisponierende Faktoren für Aortenaneurysmen und -dissektionen sind unter anderem: Aneurysma-Erkrankung in der Familienanamnese, vorbestehendes Aortenaneurysma oder vorbestehende Aortendissektion, Marfan-Syndrom, vaskuläres Ehlers-Danlos-Syndrom, Takayasu-Arteriitis, Riesenzellen-Arteriitis, Morbus Behçet, Hypertonie und Atherosklerose.

Patienten sollten über das Risiko informiert und dazu aufgefordert werden, bei plötzlich auftretenden schweren Bauch-, Brustkorb- oder Rückenschmerzen unverzüglich in der Notaufnahme ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Angehörige von Gesundheitsberufen sollen jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung den Zulassungsinhabern oder dem BfArM melden.

Ein entsprechender Warnhinweises zum Risiko für Aortenaneurysmen und -dissektionen in Zusammenhang mit systemisch und inhalativ angewendeten Fluorchinolonen wird nun in die Fachinformationen aufgenommen. Zu den in Deutschland zugelassenen Wirkstoffen gehören Ciprofloxacin, Levofloxacinm Moxifloxacin, Norfloxacin und Ofloxacin.

Epidemiologischen Studien zufolge haben Patienten, die systemisch mit Fluorchinolonen behandelt werden, ein etwa zweifach erhöhtes Risiko für Aortenaneurysmen und -dissektionen im Vergleich zu Patienten, die keine Antibiotika oder andere Antibiotika (Amoxicillin) einnehmen, wobei dieses erhöhte Risiko insbesondere ältere Personen betrifft.

Eine nicht-klinische Studie berichtet, dass Ciprofloxacin die Anfälligkeit für Aortendissektionen und -rupturen in einem Mausmodell erhöht. Bei diesem Befund handelt es sich wahrscheinlich um einen Klasseneffekt, ähnlich dem schädlichen Einfluss von Fluorchinolonen auf das Sehnengewebe, wodurch das Risiko für Sehnenerkrankungen erhöht wird. Aortenaneurysmen und -dissektionen sind seltene Ereignisse, die mit einer Inzidenz von 3 bis 30 Fällen pro 100.000 Personen pro Jahr auftreten.

Chinolone wirken in wechselndem Ausmaß an der DNA-Topoisomerase Typ II (Gyrase) und der DNA-Topoisomerase Typ IV. Dadurch wird die Spiralisierung der DNA verhindert, was sukzessiv die Chromosomenlänge der Bakterien-DNA steigert. Das bedeutet, dass die Chromosomenlänge der Bakterien-DNA zunimmt, wodurch der Raum in der Bakteriezelle nicht mehr ausreicht. Als Ergebnis kann die Bakterien-DNA nicht mehr korrekt abgelesen und damit repliziert werden. Das Bakterium stirbt ab.

Fluorchinolone sollen darüber hinaus auch durch andere, noch nicht vollends aufgeklärte Mechanismen wirken. Daher ist die alte Gruppenbezeichnung „Gyrasehemmer“ nicht mehr anzuwenden. Die Wirkung ist sekundär bakterizid, das heißt Fluorchinolone töten vor allem proliferierende Erreger ab. Man zählt sie zu den Breitbandantibiotika und sie werden gegen verschiedene bakterielle, teils auch lebensbedrohliche Infektionen eingesetzt.

Die Gruppe ist nicht unumstritten: Erst vor kurzem hatte der EMA-Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) weitere Anwendungsbeschränkungen empfohlen. Fluorchinolone sollen laut PRAC-Empfehlung nicht mehr angewendet werden:

  • zur Behandlung von Infektionen, die ohne Behandlung besser werden oder nicht schwerwiegend sind (wie Racheninfektionen)
  • zur Verhinderung von Reisedurchfall oder wiederkehrenden Infektionen der unteren Harnwege (Harninfektionen, die nicht über die Blase hinausgehen)
  • zur Behandlung von Patienten, die zuvor unter schweren Nebenwirkungen unter einem Fluorchinolon litten
  • zur Behandlung von leichten oder mittelschweren Infektionen, sofern nicht andere antibakterielle Arzneimittel, die für diese Infektionen empfohlen werden, nicht angewendet werden können.

Außerdem sollte die Stoffgruppe insbesondere bei älteren Patienten, Patienten mit Nierenproblemen, Patienten, die eine Organtransplantation erhalten haben, oder solchen, die mit einem systemischen Kortikosteroid behandelt werden mit Vorsicht angewendet werden. Denn diese Patienten haben ein höheres Risiko für Sehnenverletzungen, die durch Fluorchinolone verursacht werden können.

Der PRAC empfiehlt außerdem, die Behandlung mit einem Fluorchinolon-Antibiotikum bei ersten Anzeichen einer Nebenwirkung wie beispielsweise entzündete oder gerissene Sehne, Muskelschmerzen oder -schwäche sowie Gelenkschmerzen oder -schwellungen zu beenden. Gleiches gilt für Nebenwirkungen, die das Nervensystem betreffen wie Müdigkeit, Depression, Verwirrung, Selbstmordgedanken, Schlafstörungen, Seh-und Hörprobleme, veränderter Geschmack und Geruch.

In sehr seltenen Fällen würden Patienten, die mit Fluorchinolonen oder Chinolonen behandelt wurden, dauerhafte Nebenwirkungen erleiden, die sich hauptsächlich auf die Sehnen, Muskeln oder Knochen sowie das Nervensystem beziehen. Dass Fluorchinolone Sehnenschäden in Form von Entzündungen oder Rissen verursachen können, ist bereits seit den 60er-Jahren bekannt und wurde bereits in die Produktinformationen aufgenommen.

Die Ruptur der Achillessehne wird dabei als besonders gefährlich angesehen und tritt mit erhöhtem Risiko bei älteren Personen ab dem 60. Lebensjahr auf. Die unerwünschte Arzneimittelwirkung kann bereits wenige Stunden nach der Einnahme auftreten oder bis zu vier Wochen nach Therapieende.

Die Empfehlungen des PRAC werden nun dem Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA übermittelt, der das endgültige Gutachten erstellen wird. Ärzte sollen, wenn antibiotische Therapiealternativen vorliegen, Fluorchinolone nicht mehr verordnen. Chinolone sollen nach der aktuellen Bewertung des PRAC komplett vom Markt genommen werden, da diese nur für Infektionen zugelassen seien, die mit der Stoffgruppe nicht mehr behandelt werden sollen. In Deutschland sind die Arzneistoffe bereits vom Markt verschwunden, in anderen europäischen Ländern ist die Stoffgruppe jedoch noch verfügbar.

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