Ernstzunehmende Nebenwirkungen

Fluorchinolon: Immer noch zu häufig verordnet

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Berlin -

Zwar bestehen seit 2019 zu systemischen Fluorchinolonen Anwendungsbeschränkungen, aber Wirkstoffe wie Ciprofloxacin oder Norfloxacin werden in Deutschland weiterhin häufig außerhalb der empfohlenen Anwendungsgebiete angewendet. Ciprofloxacin ist demnach mit über 7 Millionen definierten Tagesdosen im Jahr 2021 das am häufigsten zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnete Antibiotikum dieser Wirkstoffklasse. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) macht abermals auf die gravierenden Nebenwirkungen der Fluorchinolone aufmerksam.

Systemisch und inhalative angewendete fluorchinolonhaltige Antibiotika können selten langanhaltende, die Lebensqualität beeinträchtigende und möglicherweise irreversible Nebenwirkungen verursachen. Insbesondere muskuloskelettale und neuropsychiatrische. Gemeldete Nebenwirkungen sind beispielsweise:

  • Tendinitis (Sehnenentzündung)
  • Sehnenriss
  • Gangstörung
  • Depression
  • Fatigue
  • Gedächtnis- und Schlafstörungen
  • Beeinträchtigungen von Hören, Sehen, Riechen und Schmecken

Trotz der eingeführten Anwendungsbeschränkungen werden systemische Fluorchinolone immer noch häufig außerhalb der empfohlenen Anwendungsgebiete angewendet.

Rote-Hand-Brief

Erst im Juni dieses Jahres wurde dazu ein Rote-Hand-Brief zur Erinnerung an die Anwendungsbeschränkungen versendet. Auch die US-Arzneimittelbehörde FDA hatte damals über Nebenwirkungen berichtet und entsprechende Warnungen ausgesprochen. So sollte die Anwendung bei den ersten Anzeichen von Schmerz oder Entzündung abgebrochen werden. Im Idealfall sollte auf andere Antibiotika wie Penicilline, Doxycyclin oder auch Makrolide ausgewichen werden. Nun macht die AkdÄ erneut aufmerksam, dass Fluorchinolone nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung verordnet werden sollten. Für folgende Indikationen sollten diese nicht angewendet werden:

  • Behandlung von nicht schweren oder selbstlimitierenden Infektionen (wie Pharyngitis, Laryngitis, Tonsillitis, akute Bronchitis)
  • Behandlung leichter bis mittelschwerer Infektionen (einschließlich unkomplizierter Zystitis, akuter Exazerbation einer chronischen Bronchitis und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD), akuter bakterieller Rhinosinusitis und akuter Otitis media), außer: üblicherweise für diese Infektionen empfohlene Antibiotika werden als ungeeignet erachtet
  • bei nichtbakteriellen Infektionen (z. B. nichtbakterielle [chronische] Prostatitis)
  • zur Prävention von Reisediarrhoe oder rezidivierenden Infektionen der unteren Harnwege
  • zur Prophylaxe bei Operationen oder Eingriffen am Urogenitaltrakt (z. B. transrektale Prostatabiopsie)
  • wenn schwerwiegende Nebenwirkungen im Zusammenhang mit einem Chinolon- oder Fluorchinolon-Antibiotikum auftraten

Fluorchinolone sollten bei vielen Indikationen nur als Mittel der letzten Wahl angewendet werden. Patient:innen sollten über die Risiken aufgeklärt und aufgefordert werden, bei den ersten Anzeichen für derartige Nebenwirkungen die Behandlung zu pausieren und ärztlichen Rat einzuholen.

Achtung: Bei Älteren, Patienten mit Niereninsuffizienz oder nach Organtransplantation ist besondere Vorsicht geboten. Die gleichzeitige Anwendung von Fluorchinolonen und Kortikosteroiden sollte vermieden werden.

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