Eigentlich ist der in Cytotec enthaltene Wirkstoff Misoprostol nur für zwei Indikationen zugelassen: Zur Behandlung von Magenulzera und höher dosiert in Kombination mit Mifepriston bei Schwangerschaftsabbrüchen. Off-label wird der synthetisch hergestellte Prostaglandin-Abkömmling auch in der Geburtseinleitung genutzt. Dieser indikationsferne Einsatz birgt zahlreiche Risiken für das Kind. Nach dem Rote-Hand-Brief aus dem vergangenen Jahr folgt deshalb nun der Importstopp.
Misoprostol (Cytotec) wird in der Gynäkologie oft zur Geburtseinleitung verwendet, um die Wehen einzuleiten. Der Off-Label-Use des Wirkstoffes birgt Risiken für das Kind, darunter exzessive uterine Tachysystolie, Uterusrupturen, sowie reduzierter fetaler Herzrhythmus. Vor gut einem Jahr informierte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mittels Rote-Hand-Brief über Risiken im Zusammenhang mit einer Anwendung von Cytotec zur Geburtseinleitung im „Off-Label-Use“. Nun soll der Vertrieb ganz eingestellt werden. Die Reimporteure Emra, Eurim und Kohlpharma kündigen den Import-Stopp an.
Emra teilt auf Anfrage mit: „Wir haben in Abstimmung mit dem BfArM auf die Zulassung am 25. März verzichtet. Die vorhandene Ware wird im Laufe des Monats April abverkauft werden und danach ist bei der Firma EMRAmed Arzneimittel keine Ware mehr verfügbar, da keine weiteren Importe stattfinden.“ Die Diskussionen zum Wirkstoff Misoprostol führten zur Entscheidung des Import-Stopps. Weiterhin heißt es: „Die Verantwortung für die Verwendung des Produktes Cytotec im Off-Lable-Use liegt beim zuständigen Arzt und nicht beim pharmazeutischen Unternehmer. Verdachtsmeldungen im Zusammenhang mit der Anwendung von Cytotec liegen uns nicht vor.“
Auch Kohlpharma verzichtet auf die Zulassung und erklärte den Verzicht formal am 24. März. „Der Verzicht auf die Zulassung wirkt sofort mit der Erklärung. Daher wird ab diesem Zeitpunkt auch keine weitere Ware importiert. Bereits importierte Ware darf grundsätzlich weiter vertrieben werden. Die Verfügbarkeit von Cytotec bei uns wird im Laufe dieses Monates auslaufen.“ Kohlpharma äußert sich zu der Off-label Anwendung wie folgt: Auch wenn wir die ärztliche Therapiefreiheit und die ärztliche Verantwortung im Off-Label Use im Grundsatz nicht zu bewerten haben, ist seit Herbst letzten Jahres in Deutschland mit dem Präparat Angusta eine niedriger dosierte Alternative mit dem gleichen Wirkstoff direkt für die Geburtseinleitung zugelassen. Gleichzeitig hat das Präparat Cytotec in dem ursprünglich zugelassenen Indikationsbereich keine Bedeutung mehr. Daher haben wir auf die Zulassung verzichtet.“
Aus zulassungstechnischen Gründen steht Angusta aktuell nicht als Import zu Verfügung. Angusta enthält die von der WHO empfohlene 25 µg-Dosierung. In vielen europäischen Ländern besitzt das Präparat bereits eine nationale Zulassung. Die Einnahme kann laut Hersteller nach zwei unterschiedlichen Regimen erfolgen. Entweder können die Frauen alle zwei Stunden 25 µg oder alle vier Stunden 50 µg oral Einnehmen. Die maximale Dosis beträgt 200 µg über einen Zeitraum von 24 Stunden.
Der Wirkstoff ist ein Prostaglandin-E1-Analogon. Als Prodrug wird der Arzneistoff nach der Leberpassage in den aktiven Metaboliten umgewandelt. Der Arzneistoff bewirkt eine Kontraktion des Myometriums (Muskelschicht der Gebärmutterwand), wodurch sich der Gebärmutterhals öffnet. Der Arzneistoff greift jedoch auch an den Belegzellen der Magenschleimhaut an und hemmt so die Produktion von Magensäure und Pepsin.
In Deutschland stehen auch alternative Therapieoptionen mit anderen Arzneistoffen zur Verfügung, welche unter bestimmten Bedingungen für die Geburtseinleitung am errechneten Termin zugelassen sind – unter anderem dinoprostonhaltige und oxytocinhaltige Arzneimittel. Diese Präparate können bei bereits leicht geöffnetem Muttermund gegeben werden, um die Wehen zu verstärken.
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