Paracetamol könnte, wenn es nach dem Pharmakovigilanzausschuss (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) geht, als Produkt mit modifizierter oder verlängerter Freisetzung demnächst vom Markt verschwinden. Grund für die Empfehlung ist die schlechte Behandlung im Falle einer Überdosierung.
Das Risikobewertungsverfahren wurde von der schwedischen Arzneimittelbehörde angestoßen. Seit der Zulassung entsprechender Produkte seien Probleme bei der Behandlung von Überdosierungen festgestellt worden, hieß es. Die Experten des PRAC zogen Studien und Berichte zu Überdosierungen mit modifiziert freisetzendem Paracetamol in die Bewertung ein.
Ein Aussetzen der Vermarktung wird aufgrund der Risiken für die Patienten im Falle einer Überdosierung empfohlen. Die üblichen Behandlungsverfahren im Falle einer Überdosierung seien für die modifiziert freisetzenden Präparate nicht geeignet.
Vor allem mit Blick auf die Dauer der Gabe des Antidots ist die Freisetzung des Wirkstoffes entscheidend. Zum einen ist die Freisetzung schwer nachvollziehbar und zum anderen ist es problematisch, wenn Ärzte nicht wissen, dass die Patienten ein retardiertes Paracetamol eingenommen haben. Im schlimmsten Fall könnte eine Überdosierung zu schweren Leberschäden oder zum Tod führen. Zusätzlich enthaltenes Tramadol kann laut PRAC aufgrund der Überdosierung mit dem kombinierten Schmerzmittel den Sachverhalt verkomplizieren.
Da in vielen Fällen nicht bekannt ist, ob die Vergiftung auf ein schnell oder verzögert freisetzendes Paracetamolprodukt zurückzuführen ist, ist das nötige Notfallmanagement schwer festzulegen. Der Ausschuss konnte keine Vorgaben entwickeln, die für beide Notfälle geeignet sind, um das Risiko für die Patienten zu minimieren. So sprachen die Experten für die modifiziert freisetzenden Paracetamolpräparate ein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis aus – das Risiko einer Überdosierung überwiege den Vorteil der länger anhaltenden Wirkung.
Unmittelbar freisetzende Präparate sind von der Überprüfung nicht betroffen. Bei sachgerechter Anwendung und in empfohlenen Dosen überwiegen die Vorteile von Paracetamol den Risiken. In Deutschland sind keine Präparate von der Neubewertung betroffen. Paracetamol mit modifizierter Freisetzung ist in Belgien, Dänemark, Finnland, Luxemburg, Portugal, Rumänien und Schweden erhältlich. Angeboten werden Präparate unter verschiedenen Namen wie: Alvedon 665 mg, Panadol Artro, Panadol Extend, Panadol Retard 8 Stunden, Panodil 665 mg, Paratabs Retard und Pinex Retard. Kombinationen aus retardiertem Paracetamol und Tramadol sind in Bulgarien, Tschechien, Estland, Ungarn, Island, Lettland, Litauen, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien und Spanien unter den Namen Diliban Retard oder Doreta SR auf dem Markt. Die Kombinationen sind in die Überprüfung einbezogen.
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