Kommentar

Die Hinterhof-Apotheker

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Berlin -

Deutschland als Apotheke der Welt – das war einmal. Originalhersteller winken ab und bringen ihre neuen Präparate gar nicht erst auf den Markt, wenn ihnen der Preis nicht passt. Und die klassischen Sparanbieter haben ein Schmuddelproblem: Reimporte werden im Wochentakt zurückgerufen, weil sie aus dubiosen Quellen stammen. Bei Generika sind sogar schon die Zulassungsstudien gefälscht. Deutschland hat sich kaputt gespart. Und mit den Folgen werden Apotheker und Patienten allein gelassen. Ein Kommentar von Patrick Hollstein.

Seit sieben Jahren erklären die Apothekenmitarbeiter den Kunden am HV-Tisch gebetsmühlenartig, dass Rabattarzneimittel genau dieselbe Wirkung haben wie das bisherige Präparat und dass ein Austausch problemlos möglich ist. Sind ja dieselben Wirkstoffe, dieselben Studien.

Wer den mündigen Verbraucher dann erfolgreich ruhig gestellt hat, der wird nicht noch ein neues Fass aufmachen wollen: Neben- und Wechselwirkungen bleiben auf der Strecke, wenn Hörigkeit erzeugt werden muss. Die Verantwortung dafür tragen im Zweifelsfall alleine die Apotheker.

Die (unbezahlten) Handlangerarbeiten für die Kassen haben den Berufsstand in den vergangenen Jahren einen erheblichen Teil seiner Würde gekostet. „Ich kann das nicht entscheiden“, muss wohl kein anderer Heilberuf so oft gegenüber seinen Patienten eingestehen. Umso schlimmer, dass der Skandal um gefälschte Zulassungsstudien jetzt abermals die Apotheker trifft: Kein Verbraucher wird sich dafür interessieren, dass der Subsubunternehmer eines Herstellers Dreck am Stecken hatte. Die Verantwortung für die Abgabe trägt der Apotheker in seiner Apotheke – egal, was vorher in Indien passiert ist.

Hier zeigt sich, wo die Kollateralschäden des Preiskampfes im Arzneimittelbereich zu suchen sind. Während die Kassen ihre Hände in Unschuld waschen, die Politik mahnende Forderungen stellt und sich die Hersteller womöglich an ihren Lieferanten gütlich tun, müssen Patienten und Apotheker mit der Situation allein umgehen.

Der hilflose Verweis auf kriminelle Machenschaften wird am HV-Tisch jedenfalls nicht weiterhelfen, wenn der Kunde um seine Gesundheit fürchtet – vor allem wenn der Apotheker morgen dasselbe Produkt wieder empfehlen muss, weil die Probleme angeblich behoben sind.

Freilich könnte man es sich so einfach machen wie Professor Dr. Karl Broich: Verbraucher seien nicht in Gefahr, konstatiert der BfArM-Chef bei Spiegel online. Mehr Kontrollen und Inspektionen seien notwendig – mehr Bürokratie und Überwachung also bis hin zum Dienstleister, damit schwarze Schafe besser erkannt und im System trotzdem weiter Geld gespart werden kann.

Also heimlich nach Dienstschluss das Generalalphabet ausräumen und lächelnd so tun, als sei nichts gewesen? Das ist längst keine Option mehr für die Apotheker: Wer Reimporteure wegen ihrer langen und intransparenten Lieferwege an den Pranger stellt, der muss nach grundsätzlichen Antworten auf die Globalisierung der Pharmabranche suchen. Fälschungen gibt es auch bei deutschen Generikaherstellern und Qualitätsmängel in US-Fabriken für sterile Arzneiformen.

Lob für ihren „außerordentlichen Einsatz“ brauchen die Apotheker jedenfalls nicht. Wer es ernst meint mit der Arzneimittelsicherheit, der muss den Finger in die Wunden legen. Sonst ist der Satz „Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker!“ bald nicht mehr als eine hohle Floskel aus längst vergangenen Zeiten. Wer zu Arzneimitteln keine Antworten mehr geben kann, den braucht man gar nicht erst zu fragen.

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