Der Wechsel eines Computersystems in der französischen Produktionsstätte hat bei Stallergenes für falsche Dosierungen gesorgt. Nachdem bei einem Patienten allergische Reaktionen aufgetreten waren, darf der Hersteller seine individuellen Allergiepräparate bis auf Weiteres nicht mehr ausliefern. Auch in Deutschland hat der Vorfall Konsequenzen.
Betroffen sind sämtliche Arzneimittel aus dem Sortiment des französischen Herstellers, die nach dem 13. August produziert wurden. Die Umstellung bei der SAP-Computersoftware habe zu Störungen in der Produktion geführt; die Folge waren zu hohe Dosierungen der Individualrezepturen. Die französische Arzneimittelbehörde ANSM hatte daraufhin Anfang Dezember die Auslieferung sämtlicher Produkte in Frankreich verboten und im Rahmen eines Risikomanagement-Planes den Rückruf bereits ausgelieferter Produkte angeordnet.
Auch die deutsche Niederlassung hat auf die Produktionsprobleme reagiert. Individualrezepturen sind schon seit der Software-Umstellung im August nicht mehr erhältlich: Bestellungen für Alustal und Phostal werden von Stallergenes nicht mehr angenommen. Ab sofort liefert die Firma auch die Fertigarzneimittel Staloral, Oralair und Alyostal Pricktests nicht mehr aus. Großhändler und Parallelimporteure wurden ebenfalls gebeten, die Produkte nicht an die Apotheken zu schicken.
Ein Rückruf von in Deutschland im Markt befindlichen Präparaten ist zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht geplant. Man sei mit der zuständigen Behörde, dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und der Bezirksregierung Düsseldorf dazu in intensivem Kontakt, heißt es aus dem Unternehmen. In Apotheken vorrätige Ware darf noch abgegeben werden.
Ärzte und Apotheker seien bereits über die aktuelle Situation informiert worden, heißt es weiter. Wann mit einer erneuten Auslieferung der Produkte zu rechnen ist, steht derzeit noch nicht fest. In Frankreich werde mit Hochdruck an einer Lösung des Problems gearbeitet. Mit gesundheitlichen Folgen durch das Absetzen der Behandlung sei nicht zu rechnen.
Die Stallergenes-Produkte werden zur sublingualen Immuntherapie gegen Baumpollen- und Gräserallergie eingesetzt. Insgesamt teilen sich acht Unternehmen den Markt; dazu gehören neben Stallergenes unter anderem Alk Abelló (Lundbeck) und Allergopharma (Merck). Kleinere Anbieter sind Hal Allergie (Droege), Bencard und der spanische Hersteller Leti, der den Vertrieb seiner Produkte gerade von seinem bisherigen Partner Novartis übernommen hat. Jährlich werden Schätzungen zufolge zwischen 250 bis 300 Millionen Euro umgesetzt. Bis zu 200.000 neue Patienten kommen jedes Jahr dazu.
Allerdings ist die Branche gebeutelt: Bencard und Hal Allergie hatten nach Inkrafttreten des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eine Befreiung vom Herstellerrabatt und dem Preismoratorium beantragt. Allerdings wurde die Befreiung später abgelehnt. Die Firmen müssen nachweisen, dass sie den Abschlag nicht aus ihren Erträgen finanzieren können.
2011 waren zahlreiche Produkte vom Markt verschwunden. Hintergrund war die Therapieallergene-Verordnung (TAV) aus dem Jahr 2008, die eine arzneimittelrechtliche Zulassung für die Präparate forderte.
Zuletzt hatten Allergopharma und Alk Abelló mit ihren Liefergebühren für Ärger in den Apotheken gesorgt, weil diese nicht komplett von den Kassen übernommen wurden. Außerdem hatte Thilo Weichert vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz (ULD) in Schleswig-Holstein gewarnt, dass sich Apotheken strafbar machen, wenn sie zu viele Daten an die Hersteller übermitteln.
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