Der chinesische Lohnhersteller Zhejiang Huahai Pharmaceutical hat Entwarnung gegeben, dass auch in andere Produkten potenziell krebserregende Nitrosamine enthalten sein könnte. In einem Schreiben an die Kunden heißt es, dass aufgrund unterschiedlicher Synthesewege ähnliche Verunreinigungen ausgeschlossen werden könnten. Je nachdem, wann bei Valsartan wieder grünes Licht gegeben wird, könnte der Wirkstoff ersetzt werden.
Zhejiang Huahai Pharmaceutical produziert nicht nur Valsartan, sondern auch andere Wirkstoffe aus der Gruppe der Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten. Zahlreiche Generikahersteller trieb die Sorge um, dass auch diese Substanzen mit N-Nitrosodimethylamin (NDMA) verunreinigt sein könnten – und dass Ärzten bei der Therapie von Herzpatienten die Alternativen ausgehen könnten.
Doch am Dienstag kam Entwarnung. Das chinesische Unternehmen teilte mit, dass es die unterschiedlichen Synthesewege genau analysiert habe und dass aufgrund der unterschiedlichen Prozesse eine Verunreinigung mit NDMA bei den anderen Sartanen ausgeschlossen werden könne.
Weitere Rückrufe sind damit wohl nicht zu befürchten. Und auch Versorgungsengpässe lassen sich offenbar vermeiden. Denn es gibt genügend Alternativen aus der Wirkstoffgruppe mit vergleichbarer Wirkung und Bioverfügbarkeit, auf die ausgewichen werden kann. Laut Arzneimittelverordnungsreport entfallen auf Valsartan etwa 717 Millionen Tagestherapiedosen (DDD), nur Candesartan wird mit etwa einer Milliarde DDD häufiger verordnet. Losartan landet mit etwa 138 Millionen auf Platz 3 vor Telmisartan und Irbesartan. Olmesartan und Eprosartan sind aufgrund der Festbeträge zu vernachlässigen. Bei der Kombination mit HCT – insgesamt ebenfalls knapp 700 Millionen DDD – zeichnet sich ein ähnliches Bild.
Wenn die Ärzte ihre Patienten aber erst einmal umgestellt haben, könnte sich das Bild deutlich verschieben und Valsartan schnell an Bedeutung verlieren. Ähnlich erging es vor einigen Jahren Olmesartan und Eprosartan, die der Festbetrag für Kassenpatienten unerschwinglich gemacht hatte. Eine andere Frage ist, ob Patienten ihrem alten Präparat nach der Aktion überhaupt noch vertrauen. „Das Produkt ist erst einmal tot“, sagt der Chef eines Generikaherstellers. Die ersten betroffenen Firmen überlegen bereits, ob sie den Außendienst gezielt mit diesem Vorschlag ins Feld schicken. Und auch die Konkurrenz mit anderen Wirkstoffen schläft nicht.
Noch ist es nicht soweit, noch steht gar nicht fest, wie hoch der NDMA-Gehalt in den Fertigarzneimitteln ist und ob von der Verunreinigung eine Gefahr für die Gesundheit ausgeht. Zhejiang Huahai Pharmaceutical bemüht sich, schnell wieder eine Freigabe zu bekommen. Der Hersteller hat einen Test entwickelt, um die eigenen Chargen auf die Verunreinigung zu prüfen. Validiert ist dieser allerdings noch nicht. Es könnte also noch dauern, bis die Firma bei Valsartan wieder im Geschäft ist. Das Zertifikat über die Wirkstoffqualität (Certificate of Suitability of Monographs of the European Pharmacopoeia, CEP) wurde jedenfalls am Montag vom European Directorate for the Quality of Medicines & HealthCare (EDQM) vorerst außer Kraft gesetzt.
Insgesamt wurden bislang in 22 Ländern rund 2300 Chargen zurückgerufen, von rund einem Dutzend Anbietern hierzulande sind noch drei übrig – neben dem Originalhersteller Novartis sind das die Generikafirmen TAD, Mylan und Aurobindo. Da die Liefersituation zuletzt ohnehin schon angespannt war, könnte es neue Engpässe geben.
TAD teilt auf Nachfrage mit, als führender Vertreiber von Valsartan-Produkten in Deutschland „alles daran zu setzen, die Produktion zu erhöhen um die Nachfrage zu befriedigen und damit sicherzustellen, dass sichere und qualitativ hochwertige Produkte auf dem deutschen Markt verfügbar sind“.
Betroffene Generikafirmen sind bereits auf der Suche nach einer neuen Zulassung. „Das ist eine Katastrophe“, sagt der Manager eines weiteren Herstellers. „Es sind alleine bei uns wahnsinnig viele Bestände, die jetzt gesperrt sind.“ Dazu kommt der immense logistische Aufwand für Transport, Einlagerung und gegebenfalls Vernichtung, wenn demnächst die Ware an Großhandel oder Hersteller zurückgeschickt wird.
Zhejiang Huahai Pharmaceutical ist einer von rund 40 Lieferanten für Valsartan weltweit. Die meisten Lohnhersteller der aktiven Substanz gibt es in Indien, hier liefern knapp 20 Firmen den Wirkstoff. In China und Japan sind jeweils ein halbes Dutzend Anbieter zu finden, Fabriken gibt es auch in Mexiko und Italien. Teilweise haben die Firmen eigene Synthesewege entwickelt und schützen lassen, sodass aufgrund der verwendeten Reagenzien teilweise ausgeschlossen werden kann, dass sich die Verbindung NDMA bilden kann.
Einige große Generikafirmen produzieren den Wirkstoff selbst, darunter Mylan mit Standort in Indien, Teva (Israel) sowie der TAD-Mutterkonzern Krka (Slowenien). Auch die indischen Hersteller Aurobindo, Dr. Reddy‘s, Sun und Lupin haben eine eigene Synthese, in Deutschland werden die Produkte unter den Marken Puren, Betapharm, Basics beziehungsweise Hormosan vertrieben. Hier wurden teilweise trotzdem einige Chargen zurückgerufen, die womöglich vor der Übernahme durch den heutigen Mutterkonzern produziert wurden.
Eine Übersicht der betroffenen und nicht betroffenen Präparate zum Download finden Sie hier.
Wie gehen Sie jetzt mit Valsartan um? Beliefern Sie die Rezepte oder rufen Sie die Ärzte an? Bevorraten Sie sich mit Präparaten der Firmen, die nicht betroffen sind? Jetzt mitdiskutieren im LABOR von APOTHEKE ADHOC!
APOTHEKE ADHOC Debatte