Arzneimittelkriminalität

Harvoni: Fälschung kam über Phoenix

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Berlin -

Gefälschte Packungen des Hepatitis-Medikaments Harvoni (Ledipasvir/Sofosbuvir, Gilead) sind womöglich deutschlandweit im Umlauf. Betroffen ist die reguläre Lieferkette: In einer Berliner Apotheke reklamierte gestern ein verunsicherter Patient eine Packung, die ihm wenige Minuten zuvor ausgehändigt worden war. Eine Tablette hatte er bereits eingenommen.

Die Apotheke hatte die Packung über Phoenix bezogen. Der Großhändler bestätigte auf Nachfrage, von einem Kunden über die Fälschung unterrichtet worden zu sein. Bei der Packung mit der Chargenbezeichnung 16SFC021D sei eine Farbabweichung der Tabletten festgestellt worden: Die Tabletten seien weiß anstatt orange gewesen.

Phoenix hat einem Sprecher zufolge unmittelbar gehandelt und alle Packungen dieser Charge vorsorglich aus dem Lager und in Quarantäne genommen. „In Abstimmung mit den Überwachungsbehörden haben wir Apothekenkunden darüber informiert.“ Man stehe im Austausch mit dem Hersteller Gilead.

Dessen Mitarbeiter waren nach Angaben der Berliner Apothekerin noch unvorbereitet, als der Fall gestern gemeldet wurde. Nach einer Stunde habe es einen Rückruf gegeben, in dem immerhin der Austausch der Packung beziehungsweise eine entsprechende Gutschrift zugesagt wurde. Auch das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) setzte sich in der Folge mit der Apotheke in Verbindung.

Dort versucht man derweil den Überblick zu behalten. Ein Patient aus Frankreich, dem die Apotheke Harvoni zugeschickt hatte, gab Entwarnung: Seine Tabletten hätten das übliche Aussehen gehabt. Um zu verhindern, dass noch einmal gefälschte Ware in die Hand von Patienten kommt, wird in der Apotheke nun jede Packung bei der Abgabe geöffnet und kontrolliert.

Vom BfArM gibt es derweil noch keine neuen Informationen. Herkunft und Inhalt würden nach wie vor untersucht. Daher sei noch nicht bekannt, welche Stoffe die anders aussehenden Tabletten enthielten und ob mit der Einnahme gesundheitliche Risiken verbunden seien. Auch der Hersteller kann derzeit keine Angaben machen, welche Auskunft zu möglichen Gefahren die Apotheken gegenüber den Patienten abgeben sollen.

Gilead betont, dass Harvoni-Tabletten immer orangefarben seien. Derweil gibt es Gerüchte im Markt, dass in Entwicklungsländern andersfarbige Tabletten vertrieben werden, die den jetzt aufgetauchten Plagiaten ähnlich sehen könnten.

Einem Patienten in Nordrhein-Westfalen war zuerst aufgefallen, dass die Tabletten nicht wie üblich orange, sondern weiß waren. Er wandte sich an seine Apotheke, die den Fall meldete. Das BfArM forderte die Apotheken auf, die Farbe der Filmtabletten zu prüfen und im Falle einer Fälschung die üblichen Meldewege einzuhalten.

Die Packungen tragen die Chargenbezeichnung 16SFC021D, bei der es sich um eine real existierende Charge für den deutschen Markt handelt. Als Verfallsdatum ist 06/2018 angegeben. Die gefälschten Tabletten unterscheiden sich vom Original nur durch die weiße Farbe. Die Verpackung der Tabletten sowie die Tablettenform und -prägung entsprechen dem Original.

Patienten, die Harvoni einnehmen und feststellen, dass es sich dabei um weiße Tabletten handelt, sollen diese keinesfalls einnehmen und sich an ihren behandelnden Arzt oder ihren Apotheker wenden, um das weitere Vorgehen mit ihm abzusprechen. Das BfArM weist darauf hin, dass für den Austausch eine ärztliche Verschreibung bei der Apotheke vorgelegt werden muss.

Das BfArM steht nach eigenen Angaben in engem Kontakt mit den Landesbehörden, die in Deutschland für die Überwachung des Verkehrs mit Arzneimitteln zuständig sind, sowie mit der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA). Sobald weitere Informationen vorliegen, wird das BfArM unverzüglich darüber informieren.

Erst vor zwei Wochen hatte das BfArM vor einer Fälschung von Epclusa gewarnt. Das Medikament mit den Wirkstoffen Sofosbuvir und Velpatasvir stammt ebenfalls von Gilead und wird wie Harvoni zur Behandlung von Hepatitis C eingesetzt. Hier wurde die illegal produzierte Ware bei einem Großhändler entdeckt.

Diese Fälschung kann jedoch schnell erkannt werden. Auf dem Umkarton ist „Deutchland“ statt „Deutschland“ genannt. Auf Umkarton und Plastikflasche ist Sofosbuvir klein geschrieben, außerdem werden bei der Angabe der Chargenbezeichnung die Abkürzungen „Ch./s.“ oder „CH./s.No:“ statt „Ch.B.:“ genutzt. Apotheker, Großhändler und Patienten wurden gebeten, ihre Bestände auf entsprechende Abweichungen zu überprüfen und entsprechende Verdachtsfälle an das BfArM zu melden. Derzeit gebe es noch keinen Hinweis, dass die Fälschung auf den deutschen Markt gelangt sei. Neue Erkenntnisse gibt es einem BfArM-Sprecher zufolge nicht.

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