Die Fälschung von Harvoni (Ledipasvir 90 mg / Sofosbuvir 400 mg, Gilead) bleibt weiterhin mysteriös. Vor etwa zwei Wochen waren in deutschen Packungen weiße statt orange Tabletten aufgetaucht. Doch schon wenige Tage später gab es Entwarnung, die Tabletten sind nicht gefälscht – aber die Packung, meldet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).
Die Packungen mit weißen Tabletten waren in unterschiedlichen Teilen Deutschlands aufgetaucht. Patienten brachten Harvoni wieder zurück in die Apotheke, denn zuvor waren die Tabletten immer orange. Gilead rief alle Packungen mit der Chargenbezeichnung 16SFC021D zurück.
Die Laboranalysen ergaben keinerlei Abweichungen zum Originalprodukt – 100 Prozent Wirkstoffgehalt. Einziger Unterschied: die Farbe. Die Tabletten waren weiß statt orange, denn die Ware war nicht für den EU-Markt bestimmt. Es handelt sich um sogenannte Access-Market-Ware. Als Schutz vor Importen hat die unterschiedliche Farbe jedenfalls ihren Zweck besser erfüllt als jede andere Kennzeichnung – auch wenn dies zu massiver Verunsicherung geführt hat. Derzeit besteht die Vermutung, dass die Ware nach einer illegalen Umverpackung und Umetikettierung in den deutschen Markt kam. Somit handelt es sich um eine Fälschung. Der Rückruf bleibt weiterhin gültig.
Einem Patienten in Nordrhein-Westfalen war zuerst aufgefallen, dass die Tabletten nicht wie üblich orange, sondern weiß waren. Er wandte sich an seine Apotheke, die den Fall meldete. Das BfArM forderte die Apotheken am folgenden Tag auf, die Farbe der Filmtabletten zu prüfen und im Falle einer Fälschung die üblichen Meldewege einzuhalten. Parallel nahm die Regierung von Oberbayern als die für den Hersteller zuständige Aufsichtsbehörde den Fall an sich.
Zeitgleich kam es in einer Berliner Apotheke zu einer Reklamation. Ein verunsicherter Patient brachte eine Packung zurück, die ihm wenige Minuten zuvor ausgehändigt worden war. Eine Tablette hatte er bereits eingenommen. Die Apotheke in Berlin hatte die Packung über Phoenix bezogen. Der Großhändler bestätigte auf Nachfrage, von einem Kunden über die Fälschung unterrichtet worden zu sein. Man habe unmittelbar gehandelt und alle Packungen dieser Charge vorsorglich aus dem Lager und in Quarantäne genommen.
Potentiell gefälschte Ware wurde von weiteren Apotheken in Berlin, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen bemerkt und an die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) gemeldet. Die Anzahl der betroffenen Apotheken liegt derzeit im mittleren einstelligen Bereich; laut Regierung von Oberbayern kann nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Apotheken betroffen sind. Die Identifizierung der potentiellen Fälschung geschah jeweils durch die Patienten.
Gilead hat die gesamte betroffene Charge 16SFC021D zurückgerufen, da es sich um eine real existierende Bezeichnung handelte. Als Verfallsdatum war auf den Fälschungen 06/2018 angegeben. Die gefälschten Tabletten unterscheiden sich vom Original nur durch die weiße Farbe. Die Verpackung der Tabletten sowie die Tablettenform und -prägung entsprechen dem Original. Der Rückruf wird bis auf Apothekenebene, Großhandelsebene und Patientenebene durchgeführt. Die Apotheken werden aufgefordert, Packungen der genannten Charge sofort unter Quarantäne zu stellen. Soweit möglich, sollen Patienten, die Harvoni der genannten Charge erhalten haben, kontaktiert und um Rückgabe der betroffenen Packungen gebeten werden.
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