Nach dem Aus für MCP-Tropfen sind jetzt die Tabletten nicht mehr lieferbar. Offenbar haben die ersten Ärzte ihre Patienten umgestellt. Weil die festen Arzneiformen in der Vergangenheit nur eine untergeordnete Rolle spielten, reichen die Vorräte beim Großhandel schon nach einer Woche nicht mehr aus, um die gestiegene Nachfrage zu kompensieren. Beobachter rechnen damit, dass sich die Situation noch verschlimmern wird.
Laut Arzneiverordnungsreport wurde MCP im Jahr 2012 rund 5,7 Millionen Mal auf Kassenrezept verordnet. Wie aus Daten des Marktforschungsunternehmens IMS Health hervorgeht, machten die Tropfen dabei 88 Prozent der abgegebenen Packungen aus. Tabletten folgen mit 7 Prozent an zweiter Stelle, danach Ampullen, Retardkapseln, Suppositorien.
In vielen Apotheken sind die festen Arzneiformen jetzt defekt. Je nach Großhandelsniederlassung sind überall in der Republik zahlreiche Produkte nicht lieferbar. In Hamburg sind derzeit nur noch CT und Aliud zu bekommen, in Thüringen sind bis auf Paspertin (Abott) die Bestände komplett aufgebraucht.
Weil die Privatbestände der Patienten vom Rückruf nicht direkt betroffen waren, rechnen Beobachter damit, dass sich die Welle erst noch aufbauen wird. Denn erst wenn die Vorräte zur Neige gehen, werden in den Arztpraxen neue Rezepte angefordert. „Diese Nachfrage werden die Tabletten nie auffangen können“, sagt ein Apotheker.
Am 9. April hatte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Zulassung für alle flüssigen MCP-Zubereitungen mit einer Konzentration von mehr als 1 mg/ml widerrufen. Kurz vor Ostern folgte der Rückruf; da alle gängigen Präparate bislang 4 oder 5 mg/ml enthielten, wurde der Markt leer gefegt.
Die Firmen hatten sich bei informellen Gesprächen mit der Behörde mehrfach um eine Erweiterung der Zulassung für Präparate mit niedrigerer Konzentration bemüht. Jetzt müssen sie neue Zulassungen beantragen; bis Nachfolgeprodukte auf den Markt kommen, wird es also noch dauern. Zuletzt tauchten private Bestände in Internetportalen auf.
Betroffen vom Rückruf waren neben den Tropfen Formulierungen zur parenteralen Anwendung mit mehr als 5 mg/ml sowie Präparate zur rektalen Anwendung mit mehr als 20 mg. Die europäische Arzneimittelagentur EMA hatte die Dosisbeschränkung im Oktober empfohlen, Grund waren die bekannten potentiellen Risiken. Die EU-Kommission war der Expertenmeinung kurz vor Weihnachten gefolgt.
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