Nitrosamin

AdkÄ zu Valsartan: „Es besteht ein Risiko“

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Berlin -

„NDMA ist eine krebsauslösende Substanz“, schreibt die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ). Die Mediziner haben das kanzerogene Risiko der Verunreinigung bewertet, die im Sommer für weltweite Rückrufe Valsartan-haltger Arzneimittel sorgte – N-Nitrosodimethylamin (NDMA). Zwar sei das Nitrosamin kanzerogen, allerdings erlaube dies noch keine Abschätzung des Risikos. In den USA hat die Arzneimittelagentur FDA derweil ein neues Valsartan-haltiges Generikum zugelassen, um dem Engpass zu begegnen.

NDMA besitzt eine genotoxische Wirkung und wurde 1987 von der Weltgesundheitsagentur (WHO) als kanzerogene Substanz der Klasse 2A eingestuft. Diese Einstufung gilt für Stoffe, deren kanzerogene Wirkung im Tierversuch bestätigt wurde und die daher wahrscheinlich auch beim Menschen krebsauslösend sein kann. Dabei bestätigen Studien für NDMA längste eine kanzerogene Wirkung am Menschen. „Unter Berücksichtigung, dass mittlerweile epidemiologische Studien beim Menschen vorliegen, in denen ein dosisabhängiger Anstieg von Tumoren insbesondere des Gastrointestinaltraktes gezeigt wurde, würde eine aktuelle Bewertung die Einstufung Klasse 1 (humanes Kanzerogen) ergeben“, schreibt die AkdÄ.

Wie NDMA in die aktive Substanz kommt, ist bereits bekannt: Das Nitrosamin kann als Nebenprodukt bei der Wirkstoffsynthese entstehen und bereits seit 2012 – seit der Umstellung des Syntheseverfahrens beim chinesischen Hersteller – enthalten sein. Nicht vollständig geklärt ist, wie groß das Risiko für den Menschen ist. „Die Kenntnis, das ein Stoff kanzerogen ist, erlaubt noch keine Abschätzung des Risikos“, schreibt die AkdÄ. Denn die Dosis macht das Gift. Bei einer geringen Exposition bestehe auch ein geringeres Risiko als bei einer höheren Exposition.

Um das Risiko tatsächlich abschätzen zu können, müsse man wissen, wie viel NDMA der Patient pro Tag aufnimmt. Allerdings weisen die einzelnen verunreinigten Wirkstoffchargen unterschiedliche Mengen an NDMA auf. Untersuchungen des Zentrallaboratoriums der deutschen Apotheker (ZL) hatten Konzentrationen von bis zu 22 µg pro Valsartan-Tablette zu 320 mg Wirkstoff ergeben.

Laut AdkÄ ist es nicht möglich, eine Dosis festzulegen, die genotoxisch unbedenklich ist. Denn es müsse auch davon ausgegangen werden, dass bereits eine geringe Dosis noch einen Effekt haben könne. Zudem liegen für NDMA keine ausreichenden Daten aus epidemiologischen Studien am Menschen vor. Somit könne nur eine Risikoabschätzung vorgenommen werden. Berücksichtigt werde die Dosis in mg/kg KG pro Tag, die im Tierversuch eine 10-prozentige Erhöhung der Anzahl der Tumore nach lebenslanger Gabe der Substanz verglichen mit einem Placebo verursacht. Diese werde mit der Dosis verglichen, die ein Mensch aufnimmt – für NDMA seien das 62 µg/kg KG pro Tag.

Das Risiko werde als sehr gering eingestuft, wenn die vom Menschen aufgenommene Dosis mehr als 10.000-fach geringer ist als jene Dosis, die im Tierversuche eine 10-prozentige Erhöhung der Zahl der Tumore nach lebenslanger Exposition zur Folge hatte. Im Fall NDMA ergibt die Berechnung: Bei 22 µg NDMA pro Tablette liegt der Wert etwa 200-fach unter der Dosis, die im Tierversuch eine 10-prozentige Erhöhung der Anzahl der Tumore im Vergleich zu Placebo nach lebenslanger Exposition verursacht.

Weil durch Nahrungsmittel, Nitritzusatz in Lebensmitteln oder Luft und Wasser weniger NDMA dem Körper zugefügt wird als durch eine verunreinigte Tablette des Blutdrucksenkers, weise dies auf ein nicht geringes Risiko hin. Allerdings sei bei der Risikobewertung zu berücksichtigen, dass die Verunreinigung erst seit 2012 enthalten sein kann, somit sei keine lebenslange Exposition gegeben. Aber das Risiko verschwinde nicht, wenn die kanzerogene Substanz nicht mehr aufgenommen werde, allerdings minimiere sich dieses mit der Zeit.

Ein Beispiel: Raucher haben ein etwa 25-fach erhöhtes Lungenkrebsrisiko. Wer mit Anfang 20 mit dem Rauchen aufgibt, hat nur noch ein 1,56-fach erhöhtes Risiko. In welcher Höhe jedoch die in Valsartan entdeckte Verunreinigung krebsauslösend ist, könne erst nach längerer Zeit bewertet werden. Schließlich entwickelten sich die im Tierversuch dokumentierten Tumore erst in der zweiten Lebenshälfte der Tiere. Möglicherweise würden die Tumore beim Menschen auch erst nach Jahrzehnten auftreten.

„Insofern ist auch die kürzlich publizierte Studie, in der etwa 5000 exponierte Patienten bei einer Einnahme der kontaminierten Valsartantabletten über vier bis fünf Jahre kein erhöhtes Tumorauftreten verzeichneten, wenig aussagekräftig und trägt eher zur Verunklarung bei“, so die AkdÄ. Das Fazit der Mediziner: „Es existiert ein Risiko.“

Die Rückrufe der verunreinigten Arzneimittel war aus Sicht der AkdÄ gerechtfertigt. Für den einzelnen Patienten sei das Risiko, an Krebs zu erkranken, allerdings nur sehr geringfügig erhöht. „Zusätzlich ist zu sagen, dass bei den meisten Patienten die natürliche Lebenserwartung kürzer sein wird, als dass zu erwarten steht, dass die Erkrankung auftritt.“

Die FDA hat in der vergangenen Woche ein neues Valsartan-haltiges Generikum zugelassen. Zulassungsinhaber ist Alkem Laboratories. Zur Begründung heißt es, so dem Mangel an kritischen Arzneimitteln aufgrund von Rückrufen verschiedener Hersteller entgegenzuwirken. Die FDA hatte im Zuge der Zulassungserteilung die Herstellungsprozesse des Unternehmens bewertet und zudem sichergestellt, dass geeignete Testmethoden verwendet werden, dass die Arzneimittel frei von NDMA und NDEA sind. „Die von der FDA durchgeführte Bewertung der Herstellungsprozesse für das Produkt ergab, dass kein Risiko für die Bildung anderer Nitrosamin-Verunreinigungen bekannt ist“, so die Behörde.

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