Schwangere haben keinen Anspruch auf die Behandlung mit Cytotect CP. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nahm die Verfassungsbeschwerde einer Frau aus Bayern nicht zur Entscheidung an, die die Kosten für das Antikörperpräparat zur vorbeugenden Behandlung ihres ungeborenen Kindes erstattet haben wollte.
Die Patientin war in der neunten Schwangerschaftswoche, als bei ihr eine akute Primärinfektion mit Cytomegalie-Viren (CMV) festgestellt wurde. Während der Schwangerschaft besteht die Möglichkeit der Übertragung des Virus auf das ungeborene Kind – neben asymptomatischen Verläufen sind auch schwerwiegende Komplikationen möglich: Dazu gehören ein Abort oder ein postnatales Versterben oder auch dauerhafte Schäden wie kognitive Störungen, mentale Retardierung, Hörstörungen bis hin zum Hörverlust und Mikrozephalie.
Daher beantragte die Patientin die Versorgung mit dem Antikörperpräparat Cytotect CP, das laut Zulassung zur Vorbeugung einer CMV-Infektion für Patienten unter immunsuppressiver Behandlung insbesondere nach Organtransplantationen eingesetzt wird. Während der Schwangerschaft wird die Anwendung nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung empfohlen, da die Unbedenklichkeit hier nicht in kontrollierten klinischen Studien untersucht wurde.
Die AOK Bayern lehnte angesichts der fehlenden Zulassung die Kostenübernahme ab; die Patientin beschaffte sich das Arzneimittel daraufhin selbst und blieb auf den Kosten in Höhe von knapp 8800 Euro sitzen.
Das Bundessozialgericht (BSG) wies die Klage ab. Zwar habe eine behandlungsbedürftige Krankheit vorgelegen, diese sei aber weder lebensbedrohlich noch regelmäßig tödlich oder hiermit wertungsmäßig vergleichbar gewesen. Denn die Wahrscheinlichkeit der Geburt eines gesunden Kindes sei mit 84 Prozent deutlich höher gewesen als die Wahrscheinlichkeit einer schweren oder gar tödlichen CMV-bedingten Schädigung.
Dass das BSG eine „Mindest-Todeswahrscheinlichkeit“ von mehr als 50 Prozent als „konstitutive und starre Anspruchsvoraussetzung“ implementiere und damit die Umstände des Einzelfalls ignoriere, wollte die Patientin nicht hinnehmen und legte Verfassungsbeschwerde ein. So seien die aus der Schwangerschaft resultierenden Besonderheiten sowie ihre verfassungsrechtlich geschützten Interessen und Rechte als austragende Frau nicht gewürdigt worden. Es müsse berücksichtigt werden, dass aus ethischen, regulatorischen und ökonomischen Gründen im Bereich der Arzneimitteltherapie von Ungeborenen beziehungsweise Schwangeren ein Mangel an Evidenz bestehe und kaum Arzneimittel für Schwangere zugelassen seien.
Doch in Karlsruhe nahm mit die Sache nicht zur Entscheidung an: Fehle es an einer notstandsähnlichen Lage im Sinne einer extremen Situation einer krankheitsbedingten Lebensgefahr, fehle es auch an hinreichenden Gründen, um „den gesetzgeberischen Spielraum bei der Ausgestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung durch einen unmittelbar aus der Verfassung abgeleiteten Anspruch zu überspielen“.
Die bloße Möglichkeit eines letalen Krankheitsverlaufs ausreichen zu lassen, würde dem Ausnahmecharakter des grundrechtsunmittelbaren Leistungsanspruchs nicht gerecht. „Die Möglichkeit eines letalen Verlaufs muss sich daher in einer Weise verdichtet haben, dass Versicherte nach allen verfügbaren medizinischen Hilfen greifen müssen.“
„Diese Voraussetzung nicht als gegeben anzunehmen, wenn die Wahrscheinlichkeit eines Verlaufs ohne schwerwiegende Schädigung deutlich überwiegt, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Allein auf diese Erwägung hat das Bundessozialgericht insoweit die angegriffene Entscheidung gestützt und das Vorliegen dieser Voraussetzung für den zu entscheidenden Einzelfall abgelehnt“, so das BVerfG. Von einer starren Schwelle könne keine Rede sein.
Der Schutz des ungeborenen Lebens genieße auch keinen höheren Stellenwert als der Schutz des geborenen Lebens, daher wäre auch eine „Erweiterung der Leistungsansprüche bei einer auf das ungeborene Leben abzielenden Behandlung“ unplausibel. Im Gegenteil: Da gerade bei der Behandlung von Schwangeren die Arzneimittelsicherheit wegen der Auswirkungen auf den Fetus besondere Priorität habe, könne man erst recht keinen Verfassungsanspruch ableiten, „Leistungsansprüche für die Behandlung von Schwangeren mit nicht arzneimittelrechtlich zugelassenen Arzneimitteln zu erweitern und damit die besondere Bedeutung der Arzneimittelsicherheit für die Anwendung in der Schwangerschaft zu relativieren“.