Der Europäische Gerichtshof (EuGH) muss sich erneut mit der Frage beschäftigen, wie Parallel- und Reimporte zu kennzeichnen beziehungsweise zu verpacken sind. Sind unter bestimmten Voraussetzungen Abweichungen von den Vorschriften möglich, nach denen eine deutsche Verpackung vorgesehen ist? Diese Frage will das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) klären lassen.
Im konkreten Fall geht es um Eligard. Das Medikament zur Behandlung des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms besteht aus zwei Fertigspritzen, die jeweils in einer durch Folie verschlossenen Schalenverpackung liegen. Nach dem Öffnen der Schalenverpackung sollen die Spritzen sofort zubereitet und verwendet werden.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erteilte Reimporteur ACA Müller im Jahr 2010 eine Zulassung für den Parallelimport des Arzneimittels aus Italien und verlängerte diese im Jahr 2014 unter Erweiterung auf Importe aus Rumänien und Polen.
Der Verlängerungsbescheid weist darauf hin, dass die Schalenverpackung des Arzneimittels nicht geöffnet werden solle, um die Spritzen – wie von § 10 Absatz 1 und Abs. 8 Satz 3 des Arzneimittelgesetzes (AMG) verlangt – in deutscher Sprache unter anderem mit der Angabe „subkutane Anwendung“ zu kennzeichnen, da hierdurch die Haltbarkeit des Medikaments beeinträchtigt würde. Es müsse aber sichergestellt werden, dass bestimmte Mindestangaben in lateinischer Schrift auf den Spritzen vorhanden seien.
Dagegen klagte der Originalhersteller Recordati, allerdings in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) wies die Klage aber nicht deswegen ab, weil die Zulassung des Parallelimports unter Abweichung von den Kennzeichnungsvorschriften rechtswidrig sei, sondern weil der Konzern schlichtweg nicht in eigenen Rechten verletzt werde.
Das BVerwG hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH vorgelegt. Die Vorschriften über die Zulassung eines Arzneimittels seien in Verbindung mit den Kennzeichnungsvorgaben auch dazu bestimmt, den Inhaber davor zu schützen, dass unter Bezugnahme auf seine Zulassung das Inverkehrbringen eines parallel importierten Arzneimittels gestattet werde, dessen Primärverpackung nicht den Vorschriften entsprechend in deutscher Sprache gekennzeichnet sei.
Daher komme es darauf an, ob das BfArM bei der Erteilung der Zulassung von den Kennzeichnungsvorgaben abweichen durfte. Während das nationale Recht hierfür keine Möglichkeit vorsehe, könnte sich dies aus Art. 63 Absatz 3 der EU-Arzneimittelrichtlinie 2001/83/EG ergeben. Hiernach können die nationalen Behörden für Arzneimittel, die nicht dazu bestimmt sind, direkt an den Patienten abgegeben zu werden, von bestimmten Kennzeichnungsvorschriften absehen, unter anderem von der Verwendung der Sprache des Mitgliedstaats, in dem das Arzneimittel in Verkehr gebracht werden soll.
Die Frage ist daher, ob die Vorschriften für Parallelimporte gelten und ob die Ausnahmeregelung in diesem Fall eine unmittelbare Wirkung hätte, sprich der Importeur sich darauf berufen kann. Oder lässt sich wegen der mit der Umverpackung einhergehenden Beeinträchtigung der Haltbarkeit eine Ausnahme ableiten?
Vor zwei Jahren hatte der EuGH in einem Streit zwischen Novartis und Abacus entschieden, dass die Originalhersteller den Parallelimporteuren unter Rückgriff auf ihre Markenrechte untersagen können, ihre Ware in eigene Umkartons verpacken. Erst wenn die Grenze der Zumutbarkeit erreicht sei, könnte das Umverpacken in einen neuen Karton zulässig sein.
Daher sind überklebte Packungen derzeit die Regel, was natürlich nicht im Interesse der Zwischenhändler ist: Einerseits ist die Konfektionierung viel aufwändiger, andererseits sehen „zusammengeflickte“ Packungen schnell zweitklassig aus. Noch schlimmer wird es, wenn versiegelte Umkartons geöffnet werden müssen.