Arzneimittelsicherheit

Die Shrimps im Handgepäck

, Uhr
Berlin -

Im Zentrum des Skandals um in Griechenland mutmaßlich gestohlene und nach Deutschland verbrachte Zytostatika steht die Firma Lunapharm aus Blankenfelde-Mahlow in der Nähe von Berlin. Geschäftsführerin Susanne Krautz-Zeitel residiert mit ihrem Pharmahandel in einem schmucken Einfamilienhaus mit Doppelgarage. Lunapharm musste den Handel einstellen, die Betriebserlaubnis wurde inzwischen entzogen. Ins Blickfeld gerät jetzt ein weiterer Pharmahändler – NMG Pharma. Auch hier führt eine Spur nach Blankenfelde-Mahlow und zu Krautz-Zeitel.

Laut einer APOTHEKE ADHOC vorliegenden Liste vertreibt NMG Pharma aktuell die importierten Arzneimittel Zoladex, Herceptin, Avastin, Enbrel und Humira. Auf der Internetseite von NMG Pharma ist im Impressum eine Bonner Adresse in einem Wohngebiet angegeben. Als Telefonkontakt wird allerdings die Rufnummer von Lunapharm angegeben. Wer nach NMG in der Lauer-Liste sucht, findet dort zusätzlich als Email-Kontakt „[email protected]“. Als Geschäftsführerin von NMG Pharma wird Dr. Lucia Gnapova angegeben. Die ebenfalls in den Firmenangaben der Lauer-Liste angegebene Internetadresse „normed.dk“ läuft ins Leere, existiert offensichtlich nicht.

Lunapharm-Geschäftsführerin Krautz-Zeitel und Gnapova kennen sich. Frau Gnapova sei derzeit nicht zu sprechen, heißt es in Blankenfelde-Mahlow. Krautz-Zeitel verspricht stattdessen einen Rückruf. Unter der Bonner Telefonnummer von NMG Pharma ist Gnapova ebenfalls zurzeit nicht anzutreffen. Ein Kontakt sei frühestens nächste Woche möglich, heißt es dort.

Statt telefonisch meldet sich Geschäftsführerin Gnapova kurze Zeit später mit einer ausführlichen schriftlichen Erklärung: NMG Pharma sei ein auf Reimporte aus Niedrigpreisländern spezialisierter Großhändler, der nur von qualifizierten Lieferanten einkaufe. Seit Anfang 2017 sei Lunapharm ein Kunde von NMG gewesen. NMG habe aber zu keiner Zeit von Lunapharm Arzneimittel bezogen, heißt es dort.

Da NMG in Deutschland über kein eigenes Lager verfüge, sei Lunapharm im April 2017 beauftragt worden, für NMG in Deutschland ein Lager zu führen. Lunapharm habe als Logistikpartner für NMG Bestellungen aufgenommen, die Waren gelagert und für NMG ausgeliefert. Das sei von den zuständigen Behörden genehmigt worden. NMG habe sich bei Lunapharm zudem im Rahmen eines Audit von der ordnungsgemäßen Lagerung überzeugt.

NMG habe Lunapharm als „vertrauensvollen Partner“ kennengelernt. Und es lägen keine behördlichen Meldungen vor, die die erhobenen Vorwürfe gegen Lunapharm bestätigten, schreibt Gnapova. Um „jegliches Risiko“ zu vermeiden, habe man gleichwohl am 13. Juli 2017 beschlossen, die Zusammenarbeit mit Lunapharm einzustellen.

Für Brancheninsider sind das alles keine Zufälle. Sie glauben, das in Blankenfelde-Mahlow die Fäden eines größeren Rings zusammenlaufen: In Griechenland sitzt als mutmaßlicher Drahtzieher der „Schmuggelaffäre“ derzeit Mohammed H. in Haft. Er hat in Athen die Apotheke gegründet, die die inzwischen zurückgerufenen Arzneimittel geliefert haben soll.

Zu Unrecht, findet sein Verteidiger Gunter Kowalski, in einer Reaktion auf die Enthüllungen des ARD-Magazins Kontraste: „Der ganze Bericht ist gelogen. Von den 21 Festgenommenen ist ein großer Teil wieder freigelassen und eine Bande war es sowieso nicht. Es gibt keine Hinweise dafür, dass die Ware, die in Deutschland angekommen ist, gestohlen oder sonst wie illegal erworben wurde. Der Bericht verschweigt, dass es hier umfangreiche Qualitätskontrollen gibt, die auch ausgeführt wurden, obwohl die Redakteure das wissen. Nichts deutet daraufhin, dass diese Ware schlecht transportiert wurde. Wieviele Gutachten soll ein Händler noch machen lassen, bevor die Lügerei von Journalisten aufhört? Das griechische Gesundheitsministerium versucht Schlampereien und Unzulänglichkeiten bei der Medikamentenbeschaffung einigen angeblichen Dieben in die Schuhe zu schieben und hält diese gefangen, um falsche Geständnisse zu erpressen. Auch die Geschichte mit dem Fischmarkt ist gelogen“, postete Kowalski auf RBB-online über Lunapharm.

Aber auch Kowalski und Lunapharm-Chefin Krautz-Zeitel sind alte Bekannte, wie der Anwalt bestätigt. Und Mohammed H. und Krautz-Zeitel sind seit langer Zeit Geschäftspartner. Für die frühere Großhandelsfirma Rheingold von Mohammed H. organisierte sie in Blankenfelde-Mahlow die Geschäftsräume und war laut Kowalski auch beim Erwerb der Großhandelserlaubnis behilflich.

Weil Rheingold aber die Voraussetzungen für den Arzneimittelgroßhandel auf Dauer nicht erfüllen konnte, wurde diese wieder von der Landesaufsicht Brandenburg 2010 entzogen. Daher sind auch dem im Brandenburgischen Gesundheitsministerium zuständigen Abteilungsleiter Thomas Barta die Personen seit längerer Zeit aus anderen Zusammenhängen bekannt.

Der Ägypter Mohammed H. ist im internationalen Arzneimittelhandel kein Unbekannter: Nach Angaben seines Anwalts hat er früher im Auftrag arabischer Emirate in den USA Arzneimittel im großen Stil eingekauft. Mohammed H. sei ein „Vermittler“, der gute Kontakte habe und der gute Geschäfte vermittele. Den Vorwurf, Mohammed H. habe aus Krankenhäusern in Griechenland gestohlene Arzneimittel nach Deutschland geschmuggelt, weist Kowalski selbstverständlich zurück.

Allerdings gibt es in den Akten der griechischen Ermittler einige Fotos, die Mohammed H. mit einer schwarzen Box zeigen, wie er den Athener Fischmarkt verlässt. Dort sollen die angeblich gestohlenen Arzneimittel zwischengelagert worden sein. Die Behörden haben Mohammed H. observiert und sind ihm bis zum Flughafen gefolgt, als er dort in ein Flugzeug nach Deutschland stieg. „Die Box wurde beim Check-In nicht kontrolliert“, ärgert sich der Anwalt. Denn die Box habe lediglich „Shrimps“ enthalten. Wieso jemand, der sonst Arzneimittel dealt, mit Shrimps im Handkoffer reisen soll, bleibt unerklärt.

Ins Rollen gekommen ist die Angelegenheit in Griechenland durch einen anonymen Brief. Darin wurde auf ein Arzneimittellager in Bulgarien aufmerksam gemacht, aus dem griechische Arzneimittel aus staatlichem Besitz an Lunapharm und vier weitere Firmen geliefert werden sollten. Hier schließt sich vorerst der Kreis. Fakt ist: Alle in die Vorwürfe verstrickten Personen kennen sich seit Langem. Ob sie sich gemeinschaftlich zu kriminellen Taten verabredet haben, müssen die Ermittler erst noch beweisen.

Jedenfalls liefen für Lunapharm im Jahr 2016 die Geschäfte besonders gut. Die Firma ist nicht nur als deutsche GmbH in Blankenfeld-Mahlow registriert, sondern hat einen Sitz als britische Limited (Ltd) in der Great Hampton Street in Birmingham. Hier weist die Firma für 2016 einen „Profit“ von gut 2,2 Millionen Euro aus. Director: Susanne Krautz-Zeitel.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

APOTHEKE ADHOC Debatte