Apotheken dürfen keine Verträge eingehen, mit denen Dritte am Umsatz oder Gewinn beteiligt werden. Der Bundesgerichtshof (BGH) erlaubt DocMorris jedoch, für Transaktionen auf seiner Plattform eine umsatzabhängige Provision zu vereinnahmen – jedenfalls solange die Unabhängigkeit der beteiligten Apothekerinnen und Apotheker nicht gefährdet ist. Und auch E-Rezepte dürfen über die Plattform eingesammelt werden.
Laut § 8 Apothekengesetz (ApoG) sind Vereinbarungen verboten, bei denen „die Vergütung für dem Erlaubnisinhaber gewährte Darlehen oder sonst überlassene Vermögenswerte am Umsatz oder am Gewinn der Apotheke ausgerichtet ist, insbesondere auch am Umsatz oder Gewinn ausgerichtete Mietverträge sind unzulässig“.
Doch im Fall der 10-prozentigen Provision, die DocMorris von den Partnerapotheken beim Verkauf von OTC-Medikamenten verlangt, sieht der BGH kein Problem. Im konkreten Fall ging es um einen Streit zwischen DocMorris und der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR), die gegen das Marktplatzmodell des Versenders vorgegangen war. Der Fall war in Karlsruhe verhandelt worden, erst beim Landgericht (LG), dann beim Oberlandesgericht (OLG). Dort hatte man zwar die Grundgebühr von 399 Euro für zulässig erklärt, nicht aber die umsatzabhängige Provision im OTC-Bereich.
Zwar dürfe die berufliche Verantwortung und Entscheidungsfreiheit des Apothekers nicht durch „unangemessene vertragliche Bedingungen, die ihn in wirtschaftliche Abhängigkeit von Dritten bringen“, beeinträchtigt werden, so der BGH. „Dadurch soll sichergestellt werden, dass er seiner öffentlichen Aufgabe, eigenverantwortlich an der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung mitzuwirken, in sachgerechter Weise nachkommt.“
Zur Beurteilung eines partiarischen Rechtsverhältnisses sei aber das Gesamtgefüge der Vereinbarungen zu betrachten. Den Zweck der Vorschrift sei es, „Außenstehenden, die keiner Betriebserlaubnis bedürfen und damit auch keiner Zuverlässigkeitsprüfung [...] unterliegen, die Möglichkeit nehmen, durch die Ausnutzung gesellschaftsrechtlicher Gestaltungsformen beziehungsweise direkter oder indirekter Beteiligungen Einfluss auf die Betriebsführung zu nehmen, ohne dabei nach außen in Erscheinung zu treten“.
Eine Vergütung, die sich am Umsatz oder am Gewinn einzelner Geschäfte ausrichte, könne nur dann als „am Umsatz oder am Gewinn der Apotheke ausgerichtet“ angesehen werden, wenn diese zu einem wesentlichen Teil auf den auf diese Weise getätigten Geschäften beruhten. Dazu habe das OLG keine Feststellungen getroffen, daher muss die Sache dort jetzt erneut verhandelt werden.
Kein Problem hat der BGH auch mit der Übermittlung von E-Rezepten – obwohl es laut § 11 Absatz 1 a ApoG unzulässig ist, Rezepte oder E-Rezepte beziehungsweise entsprechende Zugangsdaten „zu sammeln, an Apotheken zu vermitteln oder weiterzuleiten und dafür für sich oder andere einen Vorteil zu fordern, sich einen Vorteil versprechen zu lassen, anzunehmen oder zu gewähren“.
Aber schon diese Anknüpfung fehle, weil die monatliche Grundgebühr in Höhe von 399 Euro gerade nicht als Vorteil für die Übermittlung versprochen oder gewährt werde. „Es besteht nicht der erforderliche schutzzweckrelevante Zusammenhang zwischen den in § 11 Abs. 1a ApoG genannten Tathandlungen und dem versprochenen oder gewährten Vorteil.“ Hier zogen die Richter den Vergleich zum ärztlichen Berufsrecht, wo nur eine Provision für die Vermittlung von Patienten, nicht aber für die Nutzung eines virtuellen Marktplatzes verboten sei.
Das „tatbestandslimitierende Erfordernis eines schutzzweckrelevanten Zusammenhangs zwischen Tathandlung und Vorteil“ ist laut BGH auch deshalb sachgerecht, weil andernfalls die Gefahr bestehe, dass die Vorschrift „in widersprüchlicher Weise zu Lasten weiterer gesetzlicher Regelungen ausgedehnt würde, deren Ziel die Förderung der Digitalisierung der Patientenversorgung ist“.
Laut Gesetzesbegründung sollte auch unter Geltung des Makelverbots die Möglichkeit Dritter gewahrt bleiben, „unter Nutzung der Schnittstelle Mehrwertangebote anzubieten, die nicht die unzulässige Beeinflussung der freien Apothekenwahl durch Gewährung oder Versprechen eines wirtschaftlichen Vorteils im Sinne der apothekenrechtlichen Bestimmungen zum Gegenstand hätten“.
Die Wahlfreiheit der Patientinnen und Patienten werde nicht beschränkt, so der BGH. „Die freie Entscheidung der Kunden, von welcher Apotheke sie ein ihnen verschriebenes Medikament beziehen möchten, wird durch das Marktplatzmodell [...] nicht beeinträchtigt. Der Kunde kann vielmehr selbst darüber bestimmen, anhand welcher Parameter er eine Apotheke auswählt, wenn es etwa seinem Wunsch entspricht, die Apotheke seiner Wahl zunächst nicht persönlich aufsuchen zu müssen.“
Dass nur Partnerapotheken angezeigt werden, steht dem nicht entgegen: „Der Kunde hat vielmehr durch den Aufruf der Plattform der Klägerin sein Wahlrecht bereits eigenverantwortlich auf Apotheken konkretisiert, die diesen Kommunikationskanal nutzen. Es ist daher [...] ohne Bedeutung, ob teilnehmende Apotheken den Kunden der Plattform erst dann angezeigt werden, wenn diese sich für ein bestimmtes Arzneimittel interessieren.“
Auch werde die flächendeckende Versorgung nicht gefährdet: Zwar bestehe bei Internetplattformen grundsätzlich die Gefahr, dass niedergelassene Apotheken unter wirtschaftlichen Druck geraten, sich ebenfalls anzuschließen, um dem Verlust von Verschreibungen vorzubeugen. „Der in einem solchen wirtschaftlichen Druck zum Ausdruck kommende steuernde Einfluss der Plattform auf den Weg von Rezepten zur Apotheke stellt eine Beeinflussung des Apothekenwettbewerbs dar, die nicht dem Leitbild einer an heilberuflichen Kriterien orientierten wohnortnahen Arzneimittelversorgung durch in pharmazeutischer, wirtschaftlicher und betrieblicher Hinsicht unabhängige Apotheker entspricht.“
Aber: „Eine vom Marktplatzmodell der Klägerin ausgehende Gefährdung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung durch wohnortnahe Apotheken ist nicht ersichtlich.“ Denn: „Eine monatliche, von der Zahl der Transaktionen oder dem mit ihnen erzielten Umsatz unabhängige Nutzungsgebühr spricht grundsätzlich dagegen, dass das Entgelt im Sinne eines schutzzweckrelevanten Zusammenhangs gerade für die Vermittlung des E-Rezepts gezahlt wird, sofern – wie vorliegend – keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es sich um eine verdeckte Provision für die Rezeptvermittlung handelt, etwa weil die geforderte Vergütung mit Blick auf den gebotenen Leistungsumfang überhöht ist.“