Nach den Arzneimitteldiebstählen in Italien sind die entwendeten – und damit gefälschten – Medikamente nun offenbar in ganz Europa unterwegs. Für den Geschäftsführer des Reimporteurs CC Pharma, Ralf Kurenbach, ist das ein „neuer Arzneimittelskandal“. Er kritisiert, dass die deutschen Hersteller erst im Juli von den zuständigen Aufsichtsbehörden informiert wurden, und hat einige Verbesserungsvorschläge.
Anders als in Deutschland würden in italienischen Krankenhäusern Medikamentenchargen nicht dokumentiert, moniert der CC Pharma-Chef. Dies erschwere eine Nachverfolgung wie im Fall der Diebstähle erheblich. „Wir fordern ein europaweit einheitliches Chargendokumentationssystem“, so Kurenbach
Großhändler, die in Verdacht stehen, vorsätzlich illegale Ware gehandelt oder in die legale Lieferkette eingeschleust zu haben, sollten aus Sicht von Kurenbach von den nationalen Behörden sofort gemeldet werden. „Die hieraus resultierende Liste sollte für alle Marktteilnehmer im Internet verfügbar gemacht werden“, fordert Kurenbach.
Außerdem müsse das internationale Schnellwarnsystem „Rapid Alert System“ (RAS) ausgebaut und die Nutzung verschärft werden. Über das RAS soll ein schneller und frühzeitiger Austausch von Pharmakovigilanz-Informationen zwischen den Arzneimittelzulassungsbehörden der Mitgliedstaaten erfolgen. Kurenbach kritisiert, dass der europäische Branchenverband zu den aktuellen Fällen nicht rechtzeitig informiert worden war.
Darüberhinaus sei eine sofortige und europaweite Umsetzung der EU-Fälschungsrichtlinie „zwingend erforderlich“, so Kurenbach. Mit der 2011 in Kraft getretenen Richtlinie soll das Eindringen gefälschter oder gestohlener Arzneimittel in die legale Lieferkette verhindert werden.
Zum Schutz vor Arzneimittelfälschungen sollen einzelne Packungen codiert und versiegelt werden. Mitte nächsten Jahres soll die Richtlinie um eine Verifizierungspflicht für Arzneimittel erweitert werden. Vorbild könnte das in Deutschland bereits erprobte System Securpharm sein. Dabei erhält jede Packung einen EU-weit einheitlichen 2-D-Matrix-Code, der die Seriennummer, die Chargennummer und das Verfallsdatum enthält.
Nach Angaben der italienischen Arzneimittelbehörde AIFA wurden die in italienischen Kliniken gestohlenen Arzneimittel über unautorisierte Großhändler an zugelassene Großhändler in Italien verkauft. Die Behörde hat inzwischen elf Großhändler aus Lettland, Rumänien, der Slowakei, Slowenien, Ungarn und Zypern als „nicht autorisiert“ identifiziert.
Von den zugelassenen italienischen Händlern wurden die Präparate in andere EU-Staaten exportiert. Betroffen sind Deutschland, Großbritannien und Finnland. Außerdem ist den italienischen Behörden zufolge erwiesen, dass die Arzneimittel in weitere Staaten der EU verkauft wurden.
Der AIFA zufolge sind 79 Arzneimittel potenziell gefährdet, weil sie von den nicht zugelassenen Händlern an italienische Großhändler und weiter an andere Großhändler in der EU geliefert wurden. In diesen Fällen ist der illegale Handel laut Behörde bewiesen. Betroffen sind etliche hochpreisige Originalarzneimittel.
Darunter sind neben den bereits bekannten – Alimta, Avastin, Gardasil, Herceptin, Humatrope, Mabthera und Remicade – die Präparate Clexane, Copaxone, Crestor, Cymbalta, Enbrel, Humira, Iressa, Micardis Plus, Neulasta, Rebif, Roactemra, Seroquel, Spiriva, Sprycel, Sutent, Symbicort, Tarceva, Truvada, Velcade, Zytiga und Zeldox.
In den Rechnungen der nicht zugelassenen Händler tauchten der AIFA zufolge weitere Präparate auf. Für diese Arzneimittel sei aber noch nicht erwiesen, dass sie tatsächlich an italienische Großhändler gegangen seien.
Kurenbach geht davon aus, dass alle Reimporteure betroffen sind: „Aufgrund der bereits verstrichenen Zeit und der Anzahl der über die Handelskette illegal eingeschleusten Artikel, ist es für uns kaum nachvollziehbar, wie manche Marktteilnehmer hoffen wollen, von diesen Produkten nicht betroffen zu sein.“
CC Pharma hat sich dazu entschieden, alle betreffenden italiensichen Chargen zurückzurufen – „unabhängig davon, ob der jeweilige Lieferant durch die Behörden als risikobehaftet eingestuft wurde“, betont Kurenbach.
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