„Wir sind Wegbegleiter bis zum Schluss“

Sterbehilfe in Österreich: Todesmittel aus der Apotheke

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Berlin -

Anders als in Deutschland ist die Beihilfe zum Suizid in Österreich seit dem 1. Januar 2022 unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Seitdem können Betroffene unter strengsten Auflagen eine Sterbemedikation in Apotheken erhalten. Das Angebot ist für Apothekerinnen und Apotheker jedoch nicht verpflichtend. Dr. Katharina Schaufler, Inhaberin der Tullnerfeld-Apotheke im ländlichen Pixendorf in Niederösterreich, unterstützt Bedürftige aus Überzeugung.

Die Beihilfe zum Suizid in Österreich ist nur unter bestimmten Voraussetzungen und strengen Auflagen erlaubt. Volljährige, entscheidungsfähige Personen mit einer unheilbaren oder schweren, dauerhaften Erkrankung können eine Sterbeverfügung errichten, die ihnen den Bezug eines tödlichen Medikaments in einer Apotheke ermöglicht. Allerdings ist das Konzept in der österreichischen Bevölkerung noch kaum bekannt, berichtet Schaufler.

Theoretische und praktische Varianten

Laut Schaufler gibt es in der Theorie drei Varianten: Die Infusion, den Saft und das Pulver, das von Apotheken zu einem Sirup verarbeitet werden kann. Derzeit ist Natrium-Pentobarbital als Präparat vorgesehen, das als magistrale Rezeptur in einer Dosierung von 15 Gramm abgegeben wird. Während der Saft nur einen Monat lang haltbar ist, lässt sich das Pulver bis zum Ablaufdatum, derzeit bis fünf Jahre lagern. „Die Substanz ist relativ bitter“, merkt Schaufler an. „Daher werden die 100 Milliliter mit Sirup zubereitet, um den Geschmack zu überdecken. Die Flüssigkeit muss unbedingt vollständig getrunken werden.“

Die Infusionslösung bleibe laut der Apothekerin häufig nur eine theoretische Option. „Bei einer Kollegin konnte eine MS-Patientin, die wegen der eingeschränkten Beweglichkeit nur eine Infusion anwendet konnte, keine Ärztin finden, die ihr die Infusion verabreichen wollte.“ Schauflers Wunsch, um solche Hürden zu vermeiden, wäre es, konkret mit Palliativzentren zusammenzuarbeiten. „Wenn jemand so schwer krank ist, dann ist es seine eigene Entscheidung, sterben zu wollen.“

Mit einem PIN-Code kann die Apothekerin die Sterbeverfügung einsehen und das Präparat beim Großhandel bestellen.Foto: Tullnerfeld Apotheke

Vom Wunsch zum Präparat

Bevor Bedürftige ihr Präparat überhaupt ausgehändigt bekommen, erfolgen Aufklärungsgespräche mit zwei Ärzt:innen, von denen eine:r Palliativmediziner:in sein muss. Danach folgt eine Bedenkzeit von mindestens zwölf Wochen, bei terminal Erkrankten zwei Wochen. Nach Ablauf dieser Frist kann die Sterbeverfügung bei einer Notarin oder einem Notar errichtet werden, der diese in ein zentrales Register einträgt. Die Gültigkeit des Eintrags wie auch Zugriff auf die Informationen sind nur für ein Jahr möglich. Ist dieses Jahr vergangen, muss der komplette Prozess vom Betroffenen erneut durchlaufen werden.

Über einen PIN-Code ist die Verfügung für Schaufler einsehbar. Erst dann kann sie aktiv werden und das Präparat beim Großhandel bestellen. So geschehen kann die betroffene Person oder eine im Register benannte Person das Präparat Natrium-Pentobarbital in der Apotheke abholen. Die Inhaberin betont: „Die Erlaubnis, das Sterbepräparat abzugeben, ist auf die Apothekerin oder den Apotheker zugeschnitten. Man muss persönlich dafür haften und die Verantwortung übernehmen.“

Das Beratungsgespräch beschränkt sich auf die Einnahme des Sterbepräparats und weitere, notwendige Informationen zum Ablauf. „Damit die Substanz überhaupt eingenommen werden kann, braucht es Mittel wie Metoclopramid, die das Erbrechen unterdrücken. Das muss man genau erklären vor der Einnahme, damit es nicht zu Komplikationen kommt.“ Wird die Medikation wie besprochen eingenommen, „schläft man ganz ruhig ein.“ Bislang hat die Apothekerin sechs Fälle betreut, darunter ein COPD-Patient, der nicht ersticken wollte. „Es ist sicherlich die wahrscheinlich verträglichste Möglichkeit, wie man so etwas Furchtbares – aber in manchen Fällen Unabwendbares – schmerz- und angstfrei durchführen kann.“

Mit der Beratung und Abgabe der Medikation endet die Betreuung durch die Apotheke – es sei denn, Betroffene überlegen es sich anders. Schaufler hatte bislang einen Fall, in dem ihr die Sterbemedikation wieder zurückgebracht wurde, „weil die Person auf eine Palliativstation gekommen ist.“

Riesige Hürden für Betroffene

Die bürokratischen und finanziellen Hürden, die Sterbende auf sich nehmen müssen, sind mitunter beachtlich, betont die Apothekerin. Außerdem müssten überhaupt erst Ärztin oder Arzt und Notar:in gefunden werden, die dem Patienten die Eignung auch attestieren. „Ich befinde mich in der Nähe von Wien, da ist es leichter, einen Arzt zu finden, als wenn man in einer kleinen Ortschaft am Rande von Österreich lebt. Und ich finde schon, dass man pro Bezirk einen Palliativarzt zur Verfügung stellen sollte.“

Die reinen Kosten für das Präparat halten sich zwar in Grenzen: 75,50 Euro für die reine Substanz, „und wenn wir das Sirup zubereiten, dann ist es etwas teurer, unter 100 Euro in jedem Fall“, erklärt Schaufler. Aber das sind längst nicht alle Kosten, die auf eine sterbewillige Person zukommen. Im Blick behalten werden müssten auch Aufwendungen, die durch Arztbesuche und notarielle Beglaubigungen entstehen. Unternehmungen, die eine schwer kranke Person ohnehin vor große Herausforderung stellen. „Mir hat ein älteres Ehepaar aus Kärnten geschrieben, bei dem die Frau schwer krank war. Sie konnten sich die ganze Unternehmung einfach nicht leisten.“

Für Schaufler ist die Versorgung mit Sterbepräparaten eine logische Konsequenz: „Wir als Apotheke sind von Anfang an bis zum Schluss dabei. Wir betreuen Frauen vor, während und nach der Schwangerschaft, die kleinen Kinder während des Erwachsenwerdens und im Alter. Und ich finde, da sollten Arzt und Apotheke einfach gemeinsame Wegbegleiter sein. Und deswegen mache ich das auch.“

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