Im Impfskandal auf den Philippinen erhärten sich die Vorwürfe gegen Sanofi. Nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums werden drei Todesfälle mit dem umstrittenen Impfstoff Dengvaxia in Verbindung gebracht. Das sei das Ergebnis einer Untersuchung von 14 Fällen, bei denen Kinder nach der Impfung gegen das Dengue-Fieber verstorben waren. Dem französischen Pharmakonzern wird vorgeworfen, trotz besseren Wissens Hunderttausende Philippinos durch eine groß angelegte Impfaktion in Gefahr gebracht haben.
Die Ergebnisse der Untersuchung werden nun an das philippinische Justizministerium weitergegeben, das prüft, ob es juristisch gegen Sanofi vorgehen will. Der Konzern weist die Vorwürfe zurück. Die Untersuchung habe keine Beweise erbracht, dass es bei einem der Todesfälle einen direkten Zusammenhang zu dem Impfstoff gibt. Dieser war in einer gemeinsam mit dem philippinischen Gesundheitsministerium durchgeführten, großangelegten Impfaktion über 700.000 jungen Menschen verabreicht worden, darunter Zehntausende Kinder. Es war die weltweit erste Massenimpfaktion gegen das Dengue-Fieber.
Entsprechend groß war der Schock, als Sanofi nach aufkommenden Medienberichten über Komplikationen einen schwerwiegenden Fehler eingestehen musste. Denn die Dengvaxia-Impfung schützt nur Anwender verlässlich gegen das Virus, die bereits einmal infiziert waren. Wer hingegen noch nie infiziert war, bei dem können die Krankheitssymptome bei der Erstinfektion durch die Impfung noch verstärkt werden – im schlimmsten Falle inklusive innerer Blutungen, Atemnot und Organversagen.
Auf den Philippinen sind deshalb nun Hunderttausende Eltern besorgt, dass eine Dengue-Infektion ihrer Kinder fatale Folgen haben könnte – und suchen nach Schuldigen. „Wir werden keinen Stein auf dem anderen lassen bei dem Versuch, diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die für diesen schamlosen Betrug an der öffentlichen Gesundheit verantwortlich sind“, hatte ein Sprecher des für seine robuste Rhetorik berüchtigten Präsidenten Rodrigo Duterte angekündigt.
Doch auch die philippinische Regierung muss sich unangenehme Fragen stellen lassen: Denn sie kann sich genauso wenig wie Sanofi darauf berufen, dass sie von nichts habe wissen können. Bereits im Sommer vergangenen Jahres hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nämlich davor gewarnt, dass der Einsatz von Dengvaxia bei nicht Vorerkrankten zu einer Verschlimmerung der Symptome führen kann. Kurz zuvor waren unter anderem in den renommierten Fachzeitschriften „Science“ und „Vaccine“ Studien erschienen, die das belegt hatten. Wie das Fachportal Endpoints berichtete, basierte eine der Studien gar auf Daten, die von Sanofi selbst stammen.
Jedoch zogen daraus weder der Konzern, noch die philippinischen Behörden Konsequenzen. Das Impfprogramm wurde erst Anfang Dezember nach Auftauchen der Vorwürfe und einer entsprechenden öffentlichen Debatte eingestellt und das Mittel von den philippinischen Behörden verboten. Die Nichtregierungsorganisation „Freiwillige gegen Korruption und Kriminalität“ hatte schon damals von drei Todesfällen unter Kindern gesprochen. Die WHO kündigte eine umfassende Untersuchung an. Andere Länder – Singapur beispielsweise – hatten da bereits eine entsprechende Warnung für die Impfung eingeführt oder – wie Malaysia – weitere Phase-IV-Studien zum Sicherheitsprofil eingefordert.
„Das ist die größte als Programm für die öffentliche Gesundheit getarnte klinische Studie zu einem Medikament in der Entwicklung, die die Regierung je bezahlt hat“, empörte sich eine ehemalige Staatssekretärin im philippinischen Gesundheitsministerium. Ende Januar hatte das Ministerium eine Krisenkonferenz einberufen, zu der auch Vertreter der WHO geladen waren, um das weitere Vorgehen zu koordinieren. Unter anderem ordnete Gesundheitsminister Francisco Duque eine verstärkte Beobachtung geimpfter Bürger und den Aufbau eines Krankenhausnetzwerks zur besseren Notfallversorgung in Komplikationsfällen an.
Dengue-Fieber ist die sich weltweit am schnellsten verbreitende Tropenkrankheit, jährlich erkranken 500.000 Menschen, rund 20.000 sterben daran. Dass die Affäre Folgen für Sanofi haben wird, ist dennoch bereits abzusehen. Neben einem Imageschaden hatte der Konzern allein im vierten Quartal 2017 mit einer finanziellen Belastung von 100 Millionen Euro gerechnet. Seine Jahresprognose musste Sanofi dennoch nicht senken.
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