Inhaber bleibt auf Kosten sitzen

Reklamation: „Merck lässt uns im Regen stehen“

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Berlin -

Einer Stammkundin von Inhaber Rainer Bellmann fällt auf, dass ihre Schilddrüsentabletten bei der Einnahme im Mund sofort zerfallen. Sie reklamiert diese deshalb in der Salvator-Apotheke in Gunzenhausen. Bellmann wendet sich direkt an den Hersteller und ist überrascht über dessen Vorgehensweise. „Die Patientin und ich werden komplett im Regen stehen gelassen. Keine Ware, keine Erstattung und um das neue Rezept sollen wir uns auch noch kümmern“, so Bellmann. So etwas habe er in 35 Jahren Dienstzeit noch nie erlebt.

Die Patientin nimmt schon längere Zeit Euthyrox 75 Mikrogramm und Euthyrox 50 Mikrogramm von Merck ein. „Neulich kam sie zu uns in die Apotheke und berichtete, dass die Tabletten beider Stärken sofort im Mund zerfallen“, erklärt Bellmann. So habe sie dies noch nicht erlebt, „deswegen wollte die Kundin ihre Medikamente gerne zurückgeben“, so der Inhaber.

Bellmann wendet sich daraufhin direkt an Merck und füllt ein entsprechendes Formular aus. „Ich habe alles von der Charge bis zum Verfall eingetragen und sollte beide Packungen komplett zurück zum Hersteller senden“, so der Inhaber. „Die Bedingung für die Reklamation war, dass ein Privatrezept über die Tabletten vorliegen sollte“, wundert er sich. „Ich musste demnach der Kundin erklären, dass sie nun ohne Tabletten da steht und sich obendrein auch noch ein neues Rezept besorgen muss.“

Nur gegen neues Rezept

So heißt es konkret in einem Schreiben des Herstellers: „Der Austausch des beanstandeten Arzneimittels gegen ein fehlerfreies Arzneimittel darf nur gegen Vorlage einer neuen ärztlichen Verordnung (Privatrezept) erfolgen, die Größe der Austauschpackung muss derjenigen Packungsgröße entsprechen, die auf der neuen ärztlichen Verordnung angegeben ist und der Größe des Reklamationsmusters entspricht.“

Da er die Patientin nicht im Stich lassen wollte und sie zudem aus der Arztpraxis als Helferin kannte, überlegt sich Bellmann Folgendes: „Wir haben ihr zunächst zwei neue Packungen mitgegeben. Sie sagte, dass es wahrscheinlich kein Problem sei, sich ein Privatrezept zu beschaffen“, so der Apotheker. „Ich wollte auch nicht, dass sie in Vorleistung geht, und habe ihr die Medikamente erst mal ohne Bezahlung ausgehändigt. Wir wollten dann schauen, wie es nach der Einsendung der alten Tabletten weitergeht.“

Nichts gefunden, trotzdem einbehalten

Doch mit der Antwort von Merck folgt dann die Überraschung. „Man habe in einem ausführlichen Test nichts gefunden, es sei mit den Tabletten alles in Ordnung, stand in dem Schreiben“, erklärt Bellmann. Mehr noch: „Als ich telefonisch bei Merck nachfragte, was denn mit den restlichen eingeschickten Tabletten sei oder mit einem Ersatz, erklärte man mir, dass alle Tabletten bei den Tests verbraucht worden seien und sich die Patientin um ein neues Rezept kümmern müsste.“ Das sei die übliche Vorgehensweise einer Reklamation. „Das Gespräch war sehr unangenehm, man hat mich einfach abblitzen lassen“, so Bellmann.

„Ich kann von Glück sprechen, dass die Patientin eine Arzthelferin ist und es somit etwas leichter fällt, an ein neues Rezept zu kommen“, so der Inhaber. „Zudem ist es kein teures Arzneimittel, man stelle sich vor, es hätte sich um ein teures Präparat gehandelt.“

Auch die Bittstellung, in die er regelrecht durch Merck gedrängt wurde, ärgert ihn: „Ich sitze gemeinsam mit der Patientin auf den Kosten, und wir müssen der Arztpraxis erklären, dass nun ein neues Rezept benötigt wird. Die Kundin zahlt obendrein noch mal die Rezeptgebühr, oder, wenn es bei einem Privatrezept bliebe, die kompletten Kosten“, so Bellmann. „Derart im Regen stehengelassen zu werden, habe ich in meinen 35 Dienstjahren noch nicht erlebt.“

Merck erklärte sich plötzlich doch bereit, zu kooperieren. „Wir arbeiten momentan daran, eine Lösung für den Fall im Sinne der Patientin zu finden“, so ein Sprecher. Man werde sich auch direkt mit der Apotheke in Verbindung setzen.

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