Betrugsverfahren

Jahrelange Haftstrafe für Apotheker Zeifang

, Uhr aktualisiert am 11.03.2019 14:52 Uhr
Hamburg -

Günter Zeifang wurde wegen Betrugs in 13 Fällen und Verstoßes gegen das Sozialgesetzbuch (SGB V) zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Das entschied das Landgericht Hamburg heute. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, Zeifangs Anwälte haben eine Woche Zeit, um Revision einzulegen. Der Apotheker und Unternehmer wurde gemeinsam mit zwei Ärzten verurteilt, weil sie ein Strohmann-System aufgebaut haben, über das Zeifang laut Gericht rechtswidrig die Geschäfte zweier Medizinischer Versorgungszentren (MVZ) kontrolliert hatte. Die fast 1,5 Millionen Euro, die deshalb rechtswidrig abgerechnet wurden, sollen nun eingezogen werden.

Eine kriminelle Bande, die aus zwei Ärzten und einem Apotheker besteht, „ist schon recht ungewöhnlich“, räumt der Vorsitzende Richter, Malte Hansen, zu Beginn der Urteilsverkündung ein. Aber er sieht alle Kriterien für den Straftatbestand des banden- und gewerbsmäßigen Betrugs gegeben. Während Zeifang dreieinhalb Jahre hinter Gitter soll, erhielten die beiden Mitangeklagten mit sechs und zehn Monaten auf Bewährung vergleichsweise milde Strafen. Nicht nur, weil der Apotheker als Kopf des Betrugs ausgemacht wurde, sondern auch, weil einer der beiden Ärzte mit seinen Aussagen maßgeblich zur Aufklärung beigetragen hatte.

Von Zeifang selbst kann man das wohl weniger behaupten. Es sei davon auszugehen, dass der 62-Jährige in seiner Einlassung mindestens teilweise gelogen hat. Während der Richter das erklärt, schüttelt Zeifang den Kopf, als wäre er entsetzt von der Aussage. Doch das hilft nichts. „Die Einlassung von Herrn Zeifang war von dem Argument getragen, dass es die anderen doch auch so machen“, fasst Hansen zusammen. „Die anderen“, damit meinte Zeifang Klinikkonzerne und Investoren, die sich an MVZ beteiligen. „Sie, Herr Zeifang, sind aber kein Klinikkonzern, sondern Apotheker“, merkt der Richter an.

Und Apotheker dürfen keine MVZ gründen – im Gegensatz zu Ärzten, Krankenhäusern, Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen, gemeinnützigen Trägern, die aufgrund von Zulassung oder Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, oder von Kommunen. So steht es seit 2012 unmissverständlich in § 95 Abs. 1a SGB V. Die Verteidigung hatte während des Prozesses versucht, die Frage aufzuwerfen, ob diese Verbotsnorm nicht sogar verfassungswidrig sei ­– vergeblich. Lediglich „die üblichen Verdächtigen“ würden an der Grundgesetzkonformität dieses Paragraphen zweifeln, sagte Hansen.

Er selbst habe keine Zweifel daran, dass einer der beiden Ärzte seit 2014 als Treuhänder für Zeifang an den zwei MVZ Stormarn und Bergedorf beteiligt war, bis Zeifang „einen anderen Weg gefunden“ hat, legal in das MVZ einzusteigen. Ziel sei langfristig der Erwerb der MVZ gewesen – ohne dass jemand hätte sagen können, wie das gehen soll. Drei Zeugen aus dem Umfeld der MVZ hatten Zeifang dahingehend belastet. Eine Praxisangestellte, die vernommen wurde, sprach von einer „Übernahme“ durch Zeifang.

Die größte Bedeutung kommt jedoch der E-Mail zu, die die Investigativjournalisten Oliver Schröm und Niklas Schenck 2015 im Rahmen ihrer Recherchen für den Stern in die Finger bekamen. Darin erklärt Zeifangs Anwalt die Besitzverhältnisse der beiden MVZ und äußert offen, dass Zeifang in Wirklichkeit die Mehrheit an den beiden Gesellschaften hält. Im Zeugenstand hatte der Verfasser versucht, die Richter davon zu überzeugen, dass es sich dabei nur um „unglückliche Formulierungen“ handele. Vergebens. „Diese E-Mail ist nach unserer Auffassung an Deutlichkeit nicht zu überbieten“, so Hansen.

Bei den Urteilen hat das Gericht nach eigenen Angaben versucht, Milde walten zu lassen. Selbst dass er „auf dem Papier vorbestraft ist“, bringe Zeifang nur einen kleinen Nachteil, so der Vorsitzende Richter. Doch es zeige, dass die Warnung seiner damaligen Bewährungsstrafe, sich bei seinen Geschäften in Zukunft strikt an Recht und Gesetz zu halten, nicht verfangen habe. Zugute kam ihm aber, dass die Richter zu seinen Gunsten davon ausgegangen sind, dass alle Leistungen, die abgerechnet wurden, auch erbracht wurden.

Einem der mitangeklagten Ärzte wurde seine Beihilfe zur Aufklärung zwar zugute gehalten. „Ohne Sie säßen wir nicht hier“, sagte der Richter. „Dass Sie nicht gewusst haben, was da passiert, glauben wir aber nicht.“ Denn im Prozess hatte die Verteidigung versucht, in Zweifel zu ziehen, dass die beiden Ärzte wussten, dass es sich bei der Konstellation um ein illegales Konstrukt handelte.

Die Verteidigung hatte im Prozess angedeutet, dass sich die beiden Ärzte von der Rechtmäßigkeit der Konstellation überzeugt hätten. Bekräftigen konnten sie das aber offensichtlich nicht: Es seien „von niemandem auch nur irgendwelche plausiblen Angaben zu einer Rechtsberatung“ gemacht worden, so der Richter. Auch dass er regulärer Gesellschafter gewesen sei, wollte der Richter dem als Strohmann fungierenden Arzt nicht glauben. Er sei für einen Gesellschafter überraschend passiv gewesen, auch wenn es „rein theoretisch natürlich die Möglichkeit“ gebe, dass man sich an einer Gesellschaft beteiligt und dann keinerlei Interesse an deren geschäftlicher Entwicklung zeigt. Er wies darauf hin, dass er hoffe, den beiden Medizinern entstünden aufgrund der Bewährungsstrafen keine berufsrechtlichen Nachteile.

Zeifang ist einer der bekanntesten Zyto-Apotheker. Aus der von ihm jahrelang betriebenen Elb-Apotheke in Hamburg-Altona ist mit „HCA – Healthcare Altona Pharma“, vormals Compound & Care Pharma (C&C), einer der größten Herstellerbetriebe Deutschlands hervorgegangen. Seit Jahren verfolgen Zeifang aber Vorwürfe und Rechtsstreitigkeiten wegen seiner Geschäftspraktiken.

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