Engpass bei Notfallmedikamenten?

Emerade: Bis zu 90.000 Patienten betroffen

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Berlin -

Der aktuelle chargenübergreifende Rückruf der Emerade-Pens findet bis zur Ebene der Verbraucher statt – ein extrem seltener Fall. Ärzte und Apotheker werden aufgefordert, Patienten, die in den letzten 18 Monaten einen Pen erhielten, über den Chargenrückruf zu informieren. Laut Arzneimittelverordnungsreport werden pro Jahr rund 60.000 Tagestherapiedosen (DDD) abgegeben. Rechnet man diese Zahl auf den betroffenen Zeitraum hoch, so könnten bis zu 90.000 Patienten von defekten Injektoren betroffen sein.

Chargenübergreifender Rückruf

Der Hersteller informierte bereits Ende 2019 über eine fehlerhafte Komponente im Emerade-Fertigpen zur Notfallbehandlung bei Anaphylaxie. Neue Untersuchungsergebnisse lassen vermuten, dass die Auftrittswahrscheinlichkeit dieses Fehlers höher ist als bislang vermutet. In der Konsequenz werden alle Chargen mit einem Verfallsdatum bis einschließlich 10/2020 auf Distributions- und Patientenebene zurückgerufen. Die Auslieferung der Ware erfolgte ab September 2018.

Fehlerquelle erkannt

Die Informationsbeauftragte bei Bausch + Lomb berichtet, dass die Fehlerwahrscheinlichkeit über dem ursprünglich angegebenen Wert von 0,000529 Prozent liegt: „Die aktuelle Fehlerwahrscheinlichkeit ist höher, deshalb rufen wir vorsorglich alle Chargen Emerade zurück.“ Anfänglich ging der Hersteller von einem Zusammenhang zwischen Aktivierungsfehler und Temperatur aus – mittlerweile wurde ein Bauteil im Pen selbst als Fehlerquelle bestätigt.

Neue Ware ab Juni

Aktuell wird der Aufbau des Injektors angepasst und optimiert. Bausch + Lomb rechnet mit der Auslieferung der überarbeiteten Pens ab Juni. Der optimierte Pen wird in der Anwendung gleich sein. „Der Pen wird nur im Inneren überarbeitet“, berichtet die Informationsbeauftragte. „Bis dahin bleibt die Empfehlung bestehen, dass Patienten zwei Emerade-Pens mit sich führen sollen, sofern sie keine Alternative erhalten können.“

Sind ausreichend viele Alternativpräparate vorhanden?

Bausch + Lomb steht aktuell nicht in Kontakt mit den Mitbewerbern bezüglich Lieferfähigkeit. Ob momentan auf dem Markt befindliche Alternativprodukte ausreichen, ist unklar.

Jext ist laut einer Sprecherin des Herstellers Alk-Abelló derzeit voll lieferfähig. Man habe bereits vor Bekanntgeben des aktuellen Rückrufs mit den entsprechenden Behörden in Kontakt gestanden, um die Versorgungssituation zu klären. Derzeit laufe die Produktion in normalem Umfang, man sei jedoch bemüht, gemeinsam mit den Behörden eine Lösung zu finden, um die erhöhte Nachfrage entsprechend decken zu können. Mittlerweile hat der Hersteller bekanntgegeben, die Produktion von Jext schnellstmöglich zu erhöhen. Mylan ist beim EpiPen ebenfalls voll lieferfähig und verfügt sogar über einen Puffer von etwa 1,5 Monaten. Der Konzern konnte sich aufgrund der früheren Probleme bei Emerade auf einen Mehrbedarf einstellen und entsprechend vorbereiten.

Es gibt jedoch einen Unsicherheitsfaktor: In Europa gehen die einzelnen Länder unterschiedlich mit dem Aktivierungsfehler bei Emerade um. Während in einigen Ländern nur eine Warnung ausgesprochen wurde, ruft auch Großbritannien alle Chargen zurück. Je nachdem, in welchem Umfang es zu weiteren Rückrufen kommt, könnte der Engpass gravierender ausfallen als derzeit erwartet.

Neues Rezept – keine Zuzahlung

Patienten sollen Pens der betroffenen Chargen austauschen – alte Emerade-Fertigpens sollen in der Apotheke abgegeben werden. Um einen neuen Autoinjektor zu erhalten, müssen die Patienten eine neue Verordnung vorlegen. Die erneut anfallende Zuzahlung können sich die Patienten über ihre Krankenkasse erstatten lassen. Durch das Ende 2019 in Kraft getretene Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) ist es den Versicherten möglich, eine Ersatzverordnung zu erhalten. Die Rückabwicklung zwischen Krankenkasse und Hersteller scheint noch nicht abschließend geklärt.

Rückrufe auf Patientenebene sind eher selten

Den letzten Rückruf auf Patientenebene veröffentlichte die AMK im August 2017: Grund dafür waren aufgetauchte Fälschungen des Arzneimittels Xeplion der Firma Janssen-Cilag. Die Kombination aus verdächtigen Chargen in bulgarisch-rumänischer Aufmachung erhärteten damals den Verdacht der Fälschung – ein Rückruf auf Patientenebene wurde veranlasst. In den USA startete im November 2018 ein nationaler freiwilliger Rückruf auf Patientenebene von 15 Chargen Valsartan-haltiger Arzneimittel. Betroffen waren sowohl Mono- als auch Kombinationspräparate.

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