Das Einsammeln von elektronischen Gesundheitskarten (eGK) durch Dritte ist umstritten. Bereits im Februar 2021 hat das Landgericht Magdeburg einem Inhaber untersagt, sich Versichertenkarten aushändigen zu lassen und diese in Arztpraxen zu bringen. Rechtsanwalt Fabian Virkus von der Treuhand Hannover warnt in diesem Zusammenhang vor Abrechnungsbetrug. „Apotheker, die daran mitwirken, indem sie die eGK in die Arztpraxis liefern, machen sich der Beihilfe schuldig“, sagt er.
In dem Urteil des Landgerichts Magdeburg aus dem Jahr 2021 ging es um einen Briefkasten in den Räumen eines Pflegedienstes, der dazu diente, Unterlagen von „A“ nach „B“ zu befördern. Dabei handelte es sich unter anderem um „Chipkarten“ und Überweisungsscheine, die in verschlossenen Umschlägen eingeworfen und von der Apotheke in die Arztpraxis gebracht wurden.
Eine Inhaberin machte geltend, dass die Verwendung dieser Karte durch die Ärzte gegen deren Berufsordnung (BO) verstoße. Die Apotheke, die diese Gesundheitskarten ausliefere, wirke an den Verstößen mit und begehe insoweit Beihilfe. Darüber hinaus würden diese Botendienste Dienstleistungen der Apotheke darstellen, die nicht zu den pharmazeutischen Dienstleistungen im Sinne des § 2 Absatz 4 Satz 2 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) gehören und daher verboten seien.
Das Landgericht untersagte dem Inhaber, „sich oder eigenen Mitarbeitern elektronische Gesundheitskarten von Pflegediensten aushändigen zu lassen und diese zu Vertragsärzten zu bringen“. Ferner wurde untersagt, selbst oder durch eigene Mitarbeiter kassenärztliche Überweisungen zwischen Arztpraxen zu transportieren.
Laut Berufsordnung dürfen Ärztinnen und Ärzte nur dann beraten und behandeln, wenn sie selbst in einem persönlichen Kontakt zu den Patienten stehen. „Da auch die Ausstellung eines Rezepts oder einer Überweisung eine Behandlung darstellt, zwingt diese Vorschrift die Patienten, einen Arzt aufzusuchen, wenn sie meinen, dass sie ein Rezept oder eine Überweisung benötigen.“ Umgekehrt könne ein Arzt eine Behandlung und Beratung nicht abrechnen, wenn kein persönlicher Kontakt bestanden habe.
Die Einhaltung dieses Prinzips werde im Rahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zusätzlich dadurch erzwungen, dass der Patient vor der Behandlung und Beratung durch einen Vertragsarzt eine Chipkarte vorlegen müsse, heißt es in dem Urteil. Der Transport der Chipkarten vom Pflegedienst ermögliche der Ärztin oder dem Arzt jedoch, „Abrechnungen, Rezeptausstellungen und Überweisungen auszustellen, ohne dass ein persönlicher Kontakt zum Patienten bestand“.
Inhaberinnen oder Inhaber, die eGK einsammelten, verwirklichen damit nicht nur „einen recht erheblichen Wettbewerbsverstoß“, sagt Virkus. Sie begründeten „auch den Anfangsverdacht der Beihilfe zum Abrechnungsbetrug“. Denn Ärztinnen und Ärzte, die eGK einlesen und ihre Leistungen abrechnen, ohne dass Patientinnen oder Patienten wirklich in der Praxis waren, würden Abrechnungsbetrug zu Lasten der GKV begehen. „Apotheker, die hieran mitwirken, indem sie die eGK in die Praxis liefern, machen sich der Beihilfe schuldig.”
Der Rechtsanwalt weist zudem darauf hin, dass die Ärztin oder der Arzt „durch die vorhandene eGK auch zusätzlich erfundene Behandlungen abrechnen“ könne. „Das Risiko einer Entdeckung erscheint den Beteiligten äußerst gering, weil die Patienten, die es nicht mehr in die Praxis schaffen, erfahrungsgemäß auch keine Apps der GKV benutzen, in denen die letzten abgerechneten Behandlungen angezeigt werden. In gesteigerten Betrugsmodellen würden Ärzte auch gar nicht benötigte Arzneimittel verschreiben, die der Apotheker dann nicht beliefert, sondern nur abrechnet. Der Ertrag wird dann geteilt“.
Im Fall des Landgerichts Magdeburg flog das Geschäftsmodell laut Virkus auf, weil eine Apothekenmitarbeiterin in einem anderen Zivilverfahren als Zeugin freimütig über die Geschäftspraktiken ihres Chefs Auskunft gegeben hatte. Das Landgericht nutzte diese Zeugenaussage, um den Botendienst zu verbieten.