ApoRetro – der satirische Wochenrücklick

Die erste Null-Energie-Apotheke

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Berlin -

Explodierende Energiepreise, instabile Lieferketten. Die makroökonomischen Probleme treffen im Kleinen auch die Apotheken. Jetzt hat der erste Inhaber umgestellt – sein Betrieb ist energieneutral. Das schlägt gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe.

Energie und Strom, Benzin und Personal: Die Kosten steigen überall so schnell, dass man sich als Kleinunternehmer etwas einfallen lassen muss. Einsparungen sind oft nicht mehr als Flickschusterei, nur ganzheitlich lässt sich die Sache angehen.

Wir präsentieren die erste Null-Energie-Apotheke Deutschlands.

Schon beim Betreten fällt auf, dass auf künstliche Beleuchtung fast ausnahmeslos verzichtet wird. Tief über dem Verkaufstisch hängt eine alte Glühbirne, die ein flackerndes Licht auf den Tresen wirft. Mit etwas Mühe kann man im funzeligen Lampenschein die Rezepte, Arzneimittel und Geldscheine erkennen. Erste Erfahrungen im Erfühlen der korrekten Packungen kommen mit der Zeit. Etwas abseits im Dunkel steht ein Hamsterrad, in dem ein posierlicher Nager den erforderlichen Strom erzeugt. Geld für Futter wird mit einer kleinen Spendenbox gesammelt.

Lücken in der Sichtwahl

Nützlicher Nebeneffekt: In der abgedunkelten Offizin lassen sich die Lücken in der Sichtwahl nicht erkennen, die aufgrund der zunehmenden Lieferengpässe mittlerweile mehr Regalmeter einnehmen als bestückt sind. Weil auch der Kommissionierer ausgeschaltet ist, dienen Teile der Freiwahl mittlerweile als Generalalphabet. Angeklebte Lochkarten geben eine grobe Orientierung, wenn man sich in der Dunkelheit vorantastet.

Darüberhinaus gibt es in der Apotheke nichts mehr, das Strom verbraucht. Die Bildschirme sind aus, die Server runtergefahren. Anstelle der Warenwirtschaft wird wieder ein Kassenbuch geführt. Rabattverträge werden anhand von Tabellenverzeichnissen bedient, die die Kassen zur Verfügung gestellt haben. Die Securpharm-Codes werden für bessere Zeiten abgepaust, E-Rezepte werden grundsätzlich nicht angenommen. Die OTC-Preise orientieren sich an alten Lauer-Listen, die noch im Keller zu finden waren. Einfach eine Null ranhängen, dann stimmt es ungefähr.

Rezeptur und Rekuperation

Auch im Backoffice läuft jetzt wieder alles ohne Strom. Der Kühlschrank wurde abgeklemmt und vor die Tür gestellt, zumindest der Winter lässt sich so überbrücken. Im Labor kommen wieder Handwaage & Co. zum Einsatz – also all jene Gerätschaften, die die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) schon seit dem Zeitalter der industriellen Revolution vorschreibt. Von wegen alte Relikte... Salben werden wieder von Hand gerührt, über ein improvisiertes Rekuperationssystem lässt sich dabei ein wenig Strom gewinnen, um eine Stirnlampe zu illuminieren.

Beheizt wird nur einmal am Tag, auch hier profitiert die Apotheke von längst überholt geglaubten Vorschriften: Verbrannt werden alte QMS-Ordner, abgelehnte Präqualifizierungsanträge und die komplette Tierarzneimitteldokumentation des Vorvorgängers. Bei der Gelegenheit wird auch die Großhandelsbestellung übermittelt – per Rauchzeichen, versteht sich.

Engpässe ohne Ende

Tatsächlich hat man den Eindruck, dass es im Apothekenalltag derzeit allerorten Defekte gibt. Wobei der Begriff im doppelten Sinne zu verstehen ist – hier zunächst pharmazeutisch:

Der Wurm ist drin

Doch auch als Profanbegrifft trifft der Begriff „defekt“ die aktuelle Situation ganz gut:

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