Auf etwa acht DINA4-Seiten listete die Apothekerin stichpunktartig die Anforderungen an die Bürokratie und Dokumentation auf. Diese behindere die Apotheken so sehr, dass nicht mehr pharmazeutisch gearbeitet und geholfen werden könne. „Wie Sie sehen, werden wir so überreguliert und durch diese Bürokratie, Dokumentation und Einhaltung sämtlicher Gesetze, Verordnungen, Richtlinien, Vorgaben, Auflagen, Lieferverträge ist ein pharmazeutisches Arbeiten, so wie es im Studium der Pharmazie vermittelt und gelehrt wird, gar nicht mehr möglich. Wir sind durch die Überregulierung nicht mehr handlungsfähig, um Krisensituationen jeglicher Art meistern zu können“, so Hänel.
Pharmazeutisches Personal einschließlich Inhaberin
- pharmazeutische Ausbildung mit entsprechenden Abschlüssen und Nachweisen
- Fortbildungszertifikate
- Beratungsbefugnisse
- Aufzeichnungsbefugnisse
- Abzeichnungsbefugnisse
- Befreiung von der Aufsichtspflicht
- Pflichtenübertragung
- QMS zu allen Tätigkeiten
- Datenschutz
- Nachweise für Präqualifizierung zur Belieferung von Hilfsmitteln
- Belehrungen (jährlich) und Unterweisungen
- Sachkundenachweis Gefahrstoffe (aller 6 Jahre, trotz Fachschul- oder Universitätsabschluss)
- Ersthelfer
- Brandschutzhelfer
- Zertifikate zur Anmessung Bandagen, Kompressionsware, Zytostatikaherstellung, pharm. Dienstleistungen, Medikationsanalyse, Medizinprodukte, Datenschutz
- Nachweis Impfstatus
- besondere Vorkehrungen bei Schwangeren, Stillende, Jugendliche, Schüler, Praktikanten, Auszubildenden
- Hygieneunterweisung
- Betriebsanweisungen
- Gefährdungsbeurteilungen zu allen Tätigkeiten
- Studium der wöchentlichen bzw. täglichen Information der Arzneimittelkommission aus der Fachpresse, des BfArM, BMG, Apothekenkammer, Apothekenverband, Berufsgenossenschaft, Bundesland, Gemeinde, Gesundheitsamt, Rückrufe mittels Rote-Hand-Briefe
- ärztliche Untersuchungen im Rahmen der Berufsausübung
- besondere Regelungen bei Schwerbeschädigung
- Bereitstellung Arbeitskleidung, Schutzkleidung, persönliche Schutzausrüstung inkl. Unterweisung der korrekten Anwendung und Gebrauches
- Unfallbuch und Verbandskasten aufgrund Arbeitsunfälle
- Führerschein
Labor und Rezeptur (Herstellung von Arzneimitteln)
- Gefahrstoffverzeichnis für alle in der Apotheke gelagerten Substanzen (Reagenzien, Arznei- und Hilfsstoffe)
- Verfall, fachgerechte Entsorgung
- Prüfung der Ausgangs- und Arzneistoffe, Hilfsstoffe, registrierter Verpackungsmaterialien
- Plausibilitätsprüfungen
- Herstellung von Arzneimitteln (individuell oder Defektur)
- Freigabe der hergestellten Arzneimittel
- Hygieneplan
- Notfallplan
- Explosionsschutzdokument
- Sicherheitsdatenblätter
- Betriebsanweisungen
- Gefährdungsbeurteilung
- jährliche Überprüfung der elektronischen oder manuell anzuwendenden Labor-Geräte
- jährliche Eichung der Waagen, Leitern und Tritte
- Chemikalienabgabe und Verwendungszweck des Endverbrauchers
- jährliche Uberprüfung Laborabzug
- jährliche Überprüfung Gefahrstoffschrank
- Überprüfung Gasanlage / Gaspatronen
Überprüfungen in der Apotheke
- Überprüfung ortsveränderlicher und ortsfester Elektrogeräte und Anlagen
- Überprüfung Brandschutzvorrichtungen Feuerlöscher, Sprinkleranlagen
- Anzeigen bei Behörden, Kammer, Verbände, Versicherungen
- DSGVO
- Umsetzung Vorgaben Berufsgenossenschaft
- Regelbesuche/Revisionen durch Landesdirektion, Regierungspräsidium, Apothekerkammer
- Überprüfung Arbeitsschutz
- Überprüfung durch den Zoll
- Überprüfung durch das Finanzamt
- Überprüfung durch das Gewerbeaufsichtsamt
- Überprüfung durch DEKRA, TÜV
- Überprüfung durch Rentenversicherung inkl. Lohnabrechnung
- Überprüfung durch das Ordnungsamt
Dokumentationspflichtige Aufgaben (Teil 1)
- tägliche Prüfung Fertigarzneimittel, Hilfsmittel oder Medizinprodukt
- Rückrufe von Fertigarzneimitteln, Hilfsmitteln oder Medizinprodukten bearbeiten
- Meldung v o n fehlerhaften Fertigarzneimitteln, Hilfsmitteln zum Ge- oder Verbrauch, Medizinprodukten oder Missbrauch, Neben- oder Wechselwirkungen an Behörden, Kammer und Arzneimittelkommission und entsprechenden Hersteller
- Arzneimittelimporte nach AMG, § 73 a
- Bezug und Abgabe von Betäubungsmitteln (Substitution nochmals separat aufgeführt)
- Bezug und Abgabe von T- Arzneimitteln
- Bezug und Abgabe von Tierarzneimitteln
- Bezug und Abgabe vonProdukten, die dem Transfusionsgesetz unterliegen (Aufbewahrung 30 Jahre undaufgrund Datenschutz kann es Niemanden ausgehändigt werden)
- pharmazeutische Dienstleistungen( pDL)
- Schutzimpfungen (aktuell gegen Covid-19, Grippe)
- Rezeptsammelstelle
- Heimversorgung
- Verblisterung
- Klinikversorgung
- Substitution von BTM (Methadon, etc.)
- Take-Home-Versorgung bei Substitution
- Zytostatikaherstellung
- Sterilherstellung
- Versandhandel
- Großhandel
- Botendienst
- Nichtverfügbarkeit von Arzneimitteln
- Importquote für GKV
- Blutzuckermessstreifenquote für GKV
- Präqualifizierung, um Hilfsmittel (zum Ge- oder Verbrauch) und Trinknahrung zu Lasten der GKV abgeben zu dürfen, Gültigkeit 5 Jahre inklusive 2 Zwischenaudits nach 20 und 40 Monaten
- QMS
- DSGVO für Kunden, Geschäftspartner, andere Leistungserbringer mi Gesundheitswesen
- Hilfsmittelabgabe zum Ge- oder Verbrauch an Endverbraucher
- Verleih von Hilfsmitteln anVersicherte / Kunden
- Abgabe von Medizinprodukten an Endverbraucher
- Temperatur (Lagerung und Transport von Arznei-, Hilfsmitteln, Medizinprodukten)
- Securpharm
- Medikationsplan ändern
- Notdienstaushänge
- fehlerhafte ärztliche Verordnungen, Interaktionen, Wechselwirkungen, Nebenwirkungen, Missbrauch, Doppel- oder Falschverordnungen
- Pharmazeutische Bedenken und Gefährdung der Patienten-Compliance
- Genehmigungen Krankenkassen zu Hilfsmitteln zum Ge- oder Verbrauch, Arzneimittelimporten, Pflegehilfsmitteln, Inkontinenzmaterialien
- Abgabe von Pflegehilfsmitteln, Hilfsmitteln zum Ge- oder Verbrauch, Medizinprodukten, Ausleihe von medizinischen Geräten
- Überprüfung Zuzahlungsstatus der GKV-Versicherten
- Dokumentation der Packungsanzahl verschreibungspflichtiger Arzneimittel für den Nacht- und Notdienstfond aufgrund Notdienstpauschale und pharm. Dienstleistungen
- Vernichtung vom per Gesetz vorgeschriebenen Notfalldepot sowie Arzneimitteln, Hilfsmitteln zum Ge- oder Verbrauch, Medizinprodukten und apothekenüblichen Waren aufgrund von Verfall, Qualitätsmängeln, Retouren, Abschreibung
- Durchsicht/TÜV/AU Botenfahrzeuge inkl. Fahrtenbuch
- Verpflichtende Vorhaltung und Kontrolle des Notfallsortiments
- Aktualisierung umfangreicher Pflicht- und Fachliteratur
- zertifizierte Soft- und Hardware
- 14-tägiger Datenabgleich aufgrund der Arzneimitteltaxe, Rabattverträgen von derzeit 97 Krankenkassen, Kostenträgern, Festbeträgen, Neuzulassungen, Anderungen, Ruhen der Zulassung oder Löschungen von Arznei-, Hilfsmitteln, Medizinprodukten sowie apothekenüblicher Ware
- Verfallskontrolle
- Ladenhüterkontrolle
- Lagerwertverluste
- Alkoholabgabe
- Dokumentation unversteuerter Alkohol
- Preisauszeichnungspflicht
- Flucht- und Rettungswege,
- Arbeitszeiten Mitarbeiter
- Buchhaltungspflichten wie jedes Wirtschaftsunternehmen
- Rechnungswesen
- Medizinprodukteliste nach der Medizinproduktebetreiberverordnung
- Bearbeitung von Retaxationen der gesetzlichen Krankenkassen
- Bearbeitung von Einsprüchen
- Eintreiben gesetzlicher Zuzahlung bei Belieferungen von Arztpraxen, Pflegeheimen, etc.
Pharmazeutische Dienstleistungen
- Kunden inkl. Arzt im Software-System anlegen
- 2. Leistungsnachweis
- Datenschutzerklärung
- Selbsterklärung des Kunden „Keine Leistung in den letzten 12 Monaten"
- Formular zur Durchführung der pDL nach BAK-Leitlinie, je nach pDL
- Sonderbeleg NNF zur Abrechnung pDL
- Aufbewahrungspflicht NNF-Bescheid zu Abrechnung pDL
- QMS-Arbeitsanweisung pDL
Zusätzlich bei Medikationsanalyse
- erfassen der kompletten Medikation
- Athina-Bogen NW/WW +Laborwerte
- Gesprächsprotokoll Patient
- Einverständniserklärung Patient
- Entbindung ärztlicher Schweigepflicht
- Gesprächsprotokoll Arzt
- Dokumentation Abschlussgespräch Patient
Substitution Betäubungsmittel z B. Take-Home
- Abgabeliste mit Unterschrift Apotheker und Patient
- Eintrag BTM-Kartei
- Monatliche, abzeichungspflichtige (Apotheker) Bestandskontrolle BTM
- Aufbewahrungspflicht BTM-Rezeptkopie (5 Jahre)
- Empfangsquittung GH-Lieferung
- Jede Substitution ist eine Rezeptur -> Hashwert
- ggf. Rezepturdokumentation + Etiketten (L-Pola)
- Kundenkartei Substitution
- QMS-Arbeitsanweisung Substitution
Rezeptsammelstelle
- Antrag zur Sammelstelle bei der Apothekerkammer
- Nachweis und Begründung der Notwendigkeit einer Sammelstelle
- Anzahl der Apotheken im jeweiligen Umkreis mit Entfernung
- Stellungnahme der betreffenden Gemeinden und ggf. Ärzte
- Antrag beim Regierungspräsidium oder Landesdirektion
- Fotodokumentation der Sammelstellen an die entsprechenden Behörden
- Dokumentation der täglichen Briefkastenleerung
- Dokumentation der eingelieferten Rezepte
- Dokumentation der Auslieferung/Botenliste
- QMS-Arbeitsanweisung Sammelstelle
- QMS-Arbeitsanweisung Botendienst
Inkontinenzmaterial-Versorgung:
- Präqualifizierung Hilfsmittel (HiMi)
- Datenschutzerklärung zur Speicherung der Kundendaten in der vorgeschriebenen HiMi-Liste
- HiMi-eKV (elektronischer Kostenvoranschlag)
- Mehrkostenerklärung HiMi
- Abgabe-Dokumentation mit Nachweis der Einweisung ins HiMi
- Dokumentation der Seriennummer des abgegebenen HiMi
Impfungen:
- Patienten registrieren in Apotheken-Software
- Einwilligungserklärung, DSGVO-Erklärung
- Dokumentation zu den Impfstoffen (bei Covid-19-Impfstoffen zusätzlich Logistik, Temperatur und Herstellung zur Applikation des Impfstoffes)
- Chargen-Dokumentation
- Impfdokumentation mi Impfausweis des Patienten
- Hygienemaßnahmen zum kompletten Impfvorgang
- Abrechnung auf Sonderbeleg NNF inkl. Dokumentation
- Bestandsänderung der verbrauchten Impfdosen im Warenlager und Abrechnung zur Impfleistung
Zytostatikazubereitung:
- Bestellung/Lieferengpassmanagement
- Erstellung Plausibilität
- Erstellung Herstellungsprotokolle
- Erstellung Etiketten
- Eingabe Patientendaten
- Temperaturkontrollen und Dokumentation aller Räumlichkeiten und Kühlschränke
- Validierung
- Dummy, Sedi-Platten, Abklatsche 2 St./Wo
- Partikelmessung u. Luftkeimsammlung
- Retaxierungen (regelmäßig 4-stelliger Bereich, zu 90% unbegründet)
- Rechnungswesen/Inkasso (Privat- u. Zuzahlungsrechnungen schreiben, Kontoführung, Mahnung)
Praxisbeispiel Heimversorgung
Zusätzlich führt sie die Heimbelieferung als Praxisbeispiel an und listet Kosten und Zeitaufwand für die Versorgung von 40 Patient:innen auf. Das Stellen der Arzneimittel nimmt demnach etwa vier Stunden in Anspruch, das Auscannen mit Securpharm noch einmal 30 Minuten. Dann müssen Medikationspläne ausgedruckt und an die Boxen angebracht werden (eine Stunde Zeitaufwand), Bestellungen bei den Praxen aufgegeben werden (eine Stunde Zeitaufwand), die erhaltenen Rezepte/Medikamente zugeordnet und eingebucht werden (eineinhalb Stunden Zeitaufwand). Hinzu kommt die Fahrt zum Heim und das Einsortieren der Arzneimittel vor Ort (eine Stunde Zeitaufwand), weitere Dokumentation (noch einmal etwa eine Stunde Zeitaufwand). Meistens müssen die Rezepte auch noch aus den Arztpraxen abgeholt werden (etwa 30 Minuten Zeitaufwand täglich) und spontane Änderungen bearbeitet werden.
Monatlich müssen zudem Rechnungen erstellt werden, zwei Mal im Jahr sind Heimbegehungen und Schulungen der Pflegefachkräfte in den Heimen vorgeschrieben. Für den Bescheid vom Ordnungsamt für die Genehmigung des Versorgungsvertrags zahlt die Apotheke laut Hänel 250 Euro, für jede Änderung erneut 250 Euro. Wenn für die Verblisterung eine spezielle Software genutzt wird, kommen demnach Kosten in Höhe von einmalig 3000 Euro auf die Apotheke zu, monatlich weitere 30 Euro Gebühren.
Auch bei der Heimversorgung müssen weitere (bürokratische) Vorgaben erfüllt werden:
- Vertrag mit Heim, muss ans Ordnungsamt übermittelt werden -Genehmigung vom Ordnungsamt
- Raum, der ausschließlich zum Zweck des Stellens genutzt wird, d.h. es dürfen nicht einmal Buchhaltungsordner oder sonstiges dort im Regal stehen
- Raum muss bestimmte Anforderungen erfüllen: Größe, Bodenbelag, Wände
- Temperaturkontrolle
- Feuchtigkeitskontrolle
- Protokoll über Reinigung
- Tageslicht
- aktive Belüftung
- Raum muss nicht in der Apotheke sein, darf aber nicht im Heim sein
- Apotheker muss anwesend sein
- regelmäßige Schulungen des Personals
- Haftung des Apothekers
- Hygieneplan
- QMS
- Herstellungsprotokolle / Abzeichnen -Uberprüfung durch Pharmazierat
- Ausdruck Medikationspläne mit Bildern, auch bei jeder Änderung
- Dokumentation/Aufbewahrung der alten Medikationspläne inklusive aller Chargen
Je nach Tätigkeitsfeld spielen zwar nicht alle der fast 200 Stichpunkte im Versorgungsalltag eine Rolle, genügend Potenzial für den Bürokratieabbau ist aber definitiv gegeben.
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